Wiedersehen in Stormy Meadows
zuvor – nach der Steilvorlage«, verteidigt sie sich. »Wie dem auch sei, ich brauche ein neues Kleid. Also, wie sieht’s aus? Wer kommt mit Shoppen?«
»Na ja, ich müsste ja eigentlich schon ein paar Weihnachtsgeschenke besorgen«, seufze ich.
»Cas?«
»Warum nicht, habe ja eh nichts Besseres zu tun.«
Wir setzen uns in mein Auto und fahren nach Truro. Dort gibt es eine bunte Mischung aus Mainstream-Klamottenläden, auf die Laura und Cas sich stürzen, und etwas ausgefalleneren Geschäften, in denen ich vergeblich nach einem Weihnachtsgeschenk für Cassie suche.
Nachdem ich mich geschlagene zwei Stunden erfolglos herumgetrieben habe, lande ich schließlich in einer Secondhand-Buchhandlung. Ich finde eine Frank-Sinatra-Biografie, die Laura gefallen könnte. Nach dem emsigen Gewusel auf den Straßen ist es angenehm ruhig in dem Laden. Das einzige Geräusch, das ich wahrnehme, ist das Ticken einer imposanten Standuhr. Die Beleuchtung ist schummrig. Insgesamt erinnert mich der Laden mit seinen Erkern voller Nippes an die viktorianischen Warenhäuser, die man aus historischen Filmen kennt. Eine willkommene Abwechslung nach den vielen neonbeleuchteten, Konsum anregenden, auf Effizienz getrimmten Geschäften.
Ich halte die Biografie fest und sehe mich weiter um. Vielleicht finde ich ja etwas mit Pferden für Cas oder einen Kunstband für Petra. In der Kinder- und Jugendbuchabteilung packt mich die Nostalgie, und dann finde ich doch tatsächlich eine makellose Ausgabe von Die Schatzinsel von Robert Louis Stevenson. Die farbigen Illustrationen sind einfach hinreißend. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, ob Connor das Buch wohl gefallen würde. Allerdings ist es ziemlich teuer, und ich weiß nicht recht, wie angemessen es überhaupt wäre, wenn ich ihm etwas zu Weihnachten schenkte. Ich staune über mich selbst – darüber, wie gerne ich ihm das Buch kaufen möchte. Unbedingt.
Sofort rührt sich wieder das schlechte Gewissen. Ich will den Band gerade zurück ins Regal stellen, als Laura neben mir auftaucht.
»Da bist du ja!«, sagt sie. »Tja, woher habe ich das wohl gewusst, dass ich dich hier finden würde? Fürchterliches Chaos, findest du nicht auch? Wir sind längst nicht fertig, aber fix und fertig und wollen nach Hause. Ich geh nur noch eben schnell rüber zur Apotheke, kommst du dann auch da hin?« Ihr Blick fällt auf das Buch in meiner Hand. »Was ist das?«
Ich zeige es ihr. Sie nimmt es in die Hand und bekommt leuchtende Augen. »Wow. Kluges Mädchen. Danach suche ich schon eine ganze Weile, als Geschenk für einen Freund. Wolltest du es dir gerade kaufen?«
Ich schüttle den Kopf.
»Wärst du so lieb, es für mich zu kaufen?«
Ich nicke, nehme es zusammen mit den anderen Büchern mit zur Kasse und empfinde seltsame Enttäuschung darüber, dass ich es nun nicht für Connor kaufe.
Am nächsten Morgen, wir haben uns noch nicht vom Frühstückstisch erhoben, kündigt lautes Hupen die Ankunft eines Lieferwagens an. Es ist der blaue Wagen von Audger & Sons, dem Schlachter im Ort, der gekommen ist, um die Gänse abzuholen. Laura hat mit ihm vereinbart, dass er alle drei mitnimmt und uns die Größte – also Gertrude Garstig – küchenfertig für das Weihnachtsessen wiederbringt. Die anderen beiden bekommt er als Bezahlung dafür.
Laura macht ein langes Gesicht. »Oh nein, den hatte ich ja ganz vergessen.«
»Soll ich mich um ihn kümmern?«
»Nein, nein, ich mach das schon. Jago ist extra aus Helston gekommen. Komm, wir gehen raus und helfen ihm.«
Cas sitzt auf einem Strohballen vor Chances Box und reinigt die Lederriemen seines Zaumzeugs mit süßlich duftender, bernsteinfarbener Sattelseife. In einem Eimer mit Wasser zu ihren Füßen liegt die Trense, damit das daran angetrocknete Gras aufweicht. Sie redet mit ihm, als er den Kopf zu ihr herausstreckt, ihr mit den weichen Nüstern immer näher kommt und ihr schließlich sanft ins Haar pustet. Sie sagt ihm, was für ein elender Faulpelz er sei, dass es wirklich unglaublich sei, wie dreckig er immer alles mache, und wie es eigentlich wäre, wenn er mal rüberkommen und das Bad putzen würde, schließlich würde sie auch jeden Tag seine Box ausmisten. Sie fände es auch gar nicht schlecht, wenn er nachher, wenn sie mit seinem Zaumzeug fertig ist, mal eben ihre Sachen bügeln würde.
Sie weiß nicht, dass ich ihr zuhöre, und schon gar nicht, dass ich dabei lächle.
Kaum tritt meine Mutter auf den Hof, gesellt sich Meggie lautlos an ihre Seite
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