Wiedersehen in Stormy Meadows
sind sie trotzdem.
Ich öffne den Kühlschrank und hole die Lebensmitteleinkäufe heraus. In aller Seelenruhe mache ich mich daran, das Abendessen vorzubereiten. Robs Leibgericht: Beef Wellington.
Normalerweise halte ich mich nicht sklavisch an Rezepte. Ich bin gerne ein bisschen kreativ und schmeiße von diesem und jenem noch ein bisschen dazu, bis das Ganze so schmeckt, wie ich es mir vorstelle. In diesem speziellen Fall aber mache ich eine Ausnahme, weil es Robs Lieblingsessen war.
Als das Rindfleisch und die Kartoffeln im Ofen sind und das Gemüse auf dem Herd schmort, decke ich den Tisch. Richtig feierlich, mit Kerzen, Kristallgläsern, Leinenservietten und dem alten Goldrandgeschirr meiner Großmutter. Zusammen mit den weißen Rosen hätte es in keinem Restaurant besser aussehen können. Ich entkorke zwei Flaschen roten Burgunder, damit der Wein schon atmen kann. Zum Schluss lege ich eines der Geschenke, die ich vorhin verpackt habe, auf Cas’ Teller.
Um kurz nach acht höre ich den alten Land Rover in den Hof rollen. In einem Anfall plötzlicher Verunsicherung nehme ich das Geschenk von Cas’ Teller wieder weg und verstecke es in Reichweite von meinem Platz am Tisch. Die Tür geht auf und lässt nicht nur Laura und Cas herein, sondern auch eine eisige Brise, die die Kerzen auf dem Tisch zum Flackern bringt.
Kaum ist Laura wieder da, taucht auch Meg wie aus dem Nichts auf. Sie huscht schnell herein, bevor die Tür wieder zugeht, schlängelt sich durch Lauras und Cas’ Beine hindurch, legt sich auf ihren Stammplatz vor dem Kamin und ist binnen Sekunden fest eingeschlafen, völlig erledigt von einem ganzen Tag draußen bei der kalten Witterung.
Cas wickelt sich den Schal vom Hals und wirft ihn auf einen Stuhl, dann bleibt sie wie angewurzelt stehen, als sie den festlich gedeckten Tisch sieht. »Oh. Ist heute was Besonderes?«
Wie soll ich es ihr erklären? Wie soll ich sagen, dass ich eine Art Totenwache für ihren Vater halten möchte? Dass es lange gedauert hat, bis mir endlich klar wurde, wie sehr es mir fehlt, ihn und sein Leben mit Menschen zu feiern, die ihn geliebt, geachtet und respektiert haben. Ich weiß nicht, ob Cas das verstehen würde oder ob es sie traurig machen würde. Vielleicht würde sie sich in sich zurückziehen. Nein, beschließe ich. Ich möchte es ihr jetzt nicht erklären.
»Ich hatte einfach Lust, zu kochen«, behaupte ich.
»Du hast doch sonst nie Lust, zu kochen«, hält Cas misstrauisch dagegen.
»Heute aber eben doch.« Ich ringe mir ein Lächeln ab.
»Ganz egal, warum Nattie gekocht hat – es riecht einfach köstlich!« Laura hängt ihren Mantel auf. »Ich sterbe vor Hunger. Wann ist das Essen fertig?«
»Jederzeit.«
Ohne Umschweife setzt Laura sich an den Tisch und schnappt sich Messer und Gabel wie ein ungeduldiges Kind.
»Wir haben nichts zu Mittag gegessen«, erklärt sie grinsend. »Im Kühlschrank war nur noch Aufschnitt, und darauf hatten wir nach der Aufregung heute Morgen keine Lust.«
Sie kommt mir ein bisschen zu aufgekratzt vor. Künstlich-fröhlich. Ich warte, bis Cas nach oben zur Toilette geht, dann frage ich: »Alles in Ordnung?«
»Glaube schon.« Sie reibt sich müde die Augen. »Mich hat das heute Morgen nur alles ein bisschen mitgenommen.«
Cas kommt zurück, und wir fangen an zu essen.
»Wie war der Film?«, erkundige ich mich, als Cas sich auf das Fleisch stürzt.
»Gut«, schmatzt sie mit vollem Mund. »Und das, obwohl Laura ihn ausgesucht hat.« Sie hält mit dem Kauen inne und sieht meine Mutter provozierend an. »Sie hatte keine Ahnung, worum es in dem Film geht, sie wollte ihn nur deshalb sehen, weil er mit Brad Pitt ist.«
»Ja, ja, ich weiß, ich bin oberflächlich.« Laura zuckt die Achseln. »Aber Brad Pitt sieht nun mal einfach zu gut aus. Das ist aber lecker«, sagt sie dann und zeigt mit dem Messer auf den Teller. »Findest du nicht auch, Cassie?«
Cas brummt etwas, das ich nicht verstehe. Aber mir fällt auf, dass sie tatsächlich etwas isst und nicht wie üblich, wenn ich gekocht habe, nur im Essen herumstochert.
»Ich wusste gar nicht, dass meine Tochter kochen kann.« Laura zwinkert mir zu.
»Kann sie auch nicht«, sagt Cas mit vollem Mund, ohne von ihrem Teller aufzusehen. »Sie kann nur das hier.« Dann sieht sie auf, und ich staune, als sie mich anlächelt. »Das war Daddys Leibgericht.«
»Ach.« Auch Laura bemerkt Cas’ Lächeln. Sie legt die Gabel ab. »Verstehe.« Sie greift eine der Weinflaschen und schenkt
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