Wiedersehen in Stormy Meadows
ersten Stock so dicht unter dem tief herabgezogenen Dach, dass sie wie viereckige Augen wirken, die unter langen Ponyfransen hervorblinzeln.
Trotz der Jahreszeit ist der Hof voller Blumen. Alles, was eine Vertiefung aufweist, wurde bepflanzt – von einem alten Spülstein, der auf Ziegelsteinen ruht, über große Holzwannen mit üppig blühendem gelben Winterjasmin bis hin zu normalen Blumenkästen und unkonventionellen Blumenampeln, die anscheinend aus alten Körben hergestellt wurden.
Neben der Haustür drängt sich rosa und weiß blühender Schneeball in einer alten Blechbadewanne. Um die Tür und das Küchenfenster herum rankt eine Winterklematis. Ihre gesprenkelten cremeweißen Blüten klopfen, von einer leichten Brise bewegt, sanft gegen die Scheiben. Nur der Wassertrog am Ende des Pferdestalls auf der anderen Seite des Hofplatzes wurde nicht bepflanzt. Im Moment schwimmt eine einsame Wildente darin, ein hübscher Erpel mit dunkelgrünem Halsband. Die Hühner leben in einem mit Maschendraht umzäunten Auslauf, gleich neben einem Gehege mit drei großen, fetten Gänsen.
»Hallo, da seid ihr ja!« Laura steht auf der Beifahrerseite und begrüßt uns freundlich. »Wie war die Fahrt? Hoffentlich war es auf der A30 nicht zu schlimm. Gestern hat es da einen bösen Unfall gegeben, und sie haben anscheinend ewig gebraucht, um die Straße wieder frei zu machen.«
Sie öffnet Cassie die Tür. »Hallo, Cassie. Willkommen auf Stormy Meadows.«
Cas steigt vorsichtig aus. Mit spöttischer Miene betrachtet sie das nasse Kopfsteinpflaster und das unterschiedliche Getier, ohne meine Mutter weiter zu beachten. Aber zum Glück ist Laura zu beschäftigt, um das zu bemerken. Sie kommt auf meine Seite herüber. »Willkommen zu Hause, Nattie«, sagt sie ein wenig zögernd, als ich in den leichten Nieselregen aussteige.
Ich reagiere darauf mit einem halbherzigen Lächeln, denn im Moment weiß ich nicht, wo mein Zuhause ist.
Laura nimmt mich in die Arme, hüllt mich in weiche Kaschmirwolle. Sie riecht nach Chanel. Als sie wieder zurücktritt, hängen feine purpurrote Härchen auf meinem schwarzen Pullover.
Ihr Lächeln ist jetzt ein wenig verrutscht. Sie ist erschrocken, wie sehr ich seit unserer letzten Begegnung abgenommen habe, das sehe ich an ihrem Blick. Meine dicke Kleidung hatte das vertuscht, aber bei unserer Umarmung konnte sie spüren, dass ich nur noch Haut und Knochen bin. Sie betrachtet eingehend mein Gesicht und bemerkt die stärker hervortretenden Wangenknochen und die neuen Höhlungen zwischen Schläfen und Augen.
»Bestimmt lechzt ihr beide nach einer Tasse Tee, und vielleicht möchtet ihr einen Happen essen«, sagt sie schließlich, als wolle sie sofort anfangen, uns zu mästen.
Ich schüttle den Kopf. »Wir haben unterwegs angehalten.«
»Dann bringen wir jetzt eure Sachen in die Küche und zeigen Cas den Hof, ja? Ich möchte euch die ganze Rasselbande vorstellen.« Wir holen unser Gepäck aus dem Kofferraum und folgen Laura schweigend ins Haus. Die Küche riecht nach heißem, süßem Tee, nach Zimt, Orangen und Wärme. Der Raum ist groß und niedrig. Beleuchtet und geheizt wird er von einem Feuer, das in dem riesigen Kamin vor sich hin lodert.
Ich tauche unter dem niedrigen Türsturz hindurch, obwohl ich weiß, dass ich auch aufrecht noch fast zehn Zentimeter Platz hätte. Vielleicht habe ich das Gefühl, ich wäre nicht nur erwachsen geworden, sondern auch noch gewachsen, seit ich hier gewohnt habe.
Es ist so eigenartig, wieder hier zu sein. Beinahe kommen mir die Tränen. Aber zurzeit habe ich ohnehin nah am Wasser gebaut und bin empfindlicher als je zuvor. Ich verachte mich für diese Schwäche. Also hole ich tief Luft und sehe mich um, bemühe mich, in der vertrauten Umgebung Beruhigung und nicht Ablehnung zu finden.
Die Küche wird beherrscht von dem ungeheuren Kamin, einem geschrubbten Holztisch, an dem zehn Personen Platz haben, und einem Ungetüm von Küchenschrank, der alles beherbergt, was man im Leben so braucht, von Sicherheitsnadeln über Pflaster, Tesafilm und Briefumschlägen bis hin zu Modezeitschriften und Früchtekuchen.
An den in einem dunklen Goldton gestrichenen Wänden hängen Schwarz-Weiß-Fotos. Viele. Ich kann mich nicht entsinnen, dass sie bei meinem letzten Besuch schon hier gehangen hätten, aber schließlich ist das auch schon fast drei Jahre her.
Meine Mutter bemerkt mein Staunen. »Ich habe oben auf dem Boden aufgeräumt. Die Fotos habe ich alle in einem Album ganz
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