Wiedersehen in Stormy Meadows
Holztore. In dieser Scheune wird alles Mögliche aufbewahrt. Leere Pappkartons, auf denen in roten Druckbuchstaben »Zerbrechlich« steht, Werkzeug, zwei Schubkarren, ein altes Damenfahrrad mit einem geflochtenen Korb vorn am Lenker und außerdem diverse Säcke mit Futter: Mais für die Enten und Gänse, Kleie und Pellets für Chance sowie große rosa Salzblöcke und riesige Säcke mit Rinderfutter für die kleine Kuhherde, die auf einer der Weiden lebt.
Links an dem langen Durchgang, gleich hinter dem Pferdestall, steht eine zum Gang hin offene Scheune. Hier lagern etwa fünfzig Heuballen, aufeinandergestapelt wie staubige Legosteine in einem Spielzimmer. Darüber liegt lose eine riesige blaue Abdeckplane, die an Pflöcken befestigt ist. Außerdem stehen hier verschiedene Landmaschinen, ein alter roter Trecker, der nicht mehr funktioniert, wie meine Mutter uns erklärt, und landwirtschaftliche Geräte aus Eisen, die man früher wohl dahinter hängen konnte – mit ihren Spitzen und scharfen Scheiben sehen sie gefährlich aus.
Ein Gatter am Ende des langen Durchgangs führt auf eine abschüssige Wiese. Wenn man sich nach rechts wendet und immer weitergeht, gelangt man nach etwa einer Meile an den Rand der Steilküste. Darunter schäumt der Atlantik.
Ich erinnere mich gut an diese Wiese. Wenn es stürmte, mied ich sie, denn der Seewind hätte mich hier von den Füßen gefegt. Bei schönem Wetter aber ging ich abends allein zum Meer hinunter, schaute den Sonnenuntergang an und freute mich an den satten, lebhaften Farben. Die weite Sicht und die Geräusche des Meeres schenkten mir Klarheit. Es war der einzige Ort auf Stormy Meadows, an dem ich mich wirklich wohlfühlte. Ich saß oben auf dem Rand der Klippen, trotzte dem Wind, der mich herunterschubsen wollte, und plante meine Flucht aus dieser Gegend, die ich für den Arsch der Welt hielt.
Ja, Stormy Meadows symbolisierte für mich das Ende, und als ich die Farm schließlich verließ, zog ich damit einen Schlussstrich unter meine unglücklichen Kinderjahre.
In dem langen Durchgang zwischen den Scheunen liegt dösend ein weiterer Collie, warm und satt in einem schmalen Streifen Sonnenlicht. Als wir näher kommen, öffnet er die Augen und wedelt uns freundlich mit dem lang behaarten Schwanz entgegen, rührt sich aber nicht vom Fleck. Nur die grauen Haarbüschel um die glänzend schwarzen Augen herum verraten sein Alter.
»Dieser wunderbare alte Gentleman ist Shep«, sagt Laura und bleibt stehen, um ihn zu streicheln, »oder eigentlich heißt er Old Shep. Und der verspielte kleine Kerl da«, Laura zeigt auf eine jüngere Ausgabe von Old Shep, einen hübschen Collie, der gerade immer im Kreis herum seinem eigenen Schwanz nachjagt, »das ist sein Sohn, Young Shep.«
»Wie originell.« Cassie verdreht die Augen.
»Ach, und das hier ist meine Meggie, kurz: Meg.« Sie deutet auf die Hündin, die ihr weiterhin an den Fersen klebt. »Die Mutter von Young Shep.«
»Eine heile Familie, ist ja rührend«, knurrt Cas hinter mir.
»Old Shep wohnt eigentlich gar nicht hier. Er denkt zwar, hier wäre sein Zuhause«, Laura tätschelt dem Hund zärtlich den Kopf, »aber dem ist nicht so. Er gehört einem Nachbarn, aber er ist total in meine schöne Meg verliebt, stimmt’s, Süße?« Sie streichelt den seidigen Kopf der Colliedame. »Und zum Glück beruht das auf Gegenseitigkeit, wie man an dem Junior da drüben sieht. Der wohnt auch nicht hier, aber er ist zu blöd, um das zu kapieren. Es sind tolle Hunde, weil sie normalerweise sehr intelligent sind, aber Young Shep hat offenbar nur das Aussehen seiner Mutter geerbt, nicht ihren Verstand. Trotzdem, er ist ein Schatz. Ein ganz lieber Kerl.«
Der junge Hund hört auf, seinem Schwanz nachzujagen. Endlich hat er mitgekriegt, dass Besuch gekommen ist, und nun rennt er wild bellend auf uns zu und begrüßt uns mit aufgeregtem Schwanzwedeln. Er springt Cas an und pflanzt ihr die breiten Vorderpfoten mitten auf den Bauch, sodass sie vor Überraschung und Entrüstung ein Keuchen ausstößt. Aber ich staune nicht schlecht, als sie, statt loszuschimpfen, kichert. Leider ist dieser Moment der guten Laune gleich wieder vorbei, denn sie entdeckt Young Sheps schmutzige Pfotenabdrücke auf ihrem hellen Sweatshirt.
»Verdammter Köter«, faucht sie. Sie will ihn mit einem kleinen Tritt verscheuchen, doch er springt ihr begeistert um die Knöchel.
»Ich glaube, er mag dich.« Laura lächelt.
»Schön für ihn«, brummelt meine
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