Wiedersehen in Stormy Meadows
Sitzfläche vergönnt ist. Plötzlich brennt mein Gesicht ebenso sehr wie meine linke Hinterbacke.
»Guten Morgen«, lacht eine Stimme in unverkennbar irischem Singsang.
Am Hoftor steht ein Mann. Seine blauen Augen leuchten vor Vergnügen.
»Der Mond ist heute schon früh aufgegangen, wie ich sehe. Aber das ist im Winter ja nichts Ungewöhnliches.«
Meine Mutter, die für einen Moment genauso erstarrt war wie ich, prustet wieder los und lässt endlich mein Nachthemd los.
»Ich sterbe«, brummle ich, ohne die Lippen zu bewegen.
»Sei nicht albern, das ist doch keine große Sache«, erwidert Laura.
»Hängt davon ab, ob du den Biss oder den Arsch meinst«, ruft Cassie laut aus dem Schutz des Land Rovers und betrachtet mich voller Schadenfreude.
»Ich suche meinen Hund«, erklärt der Mann am Tor.
Bevor Cassie eine weitere freche Bemerkung machen kann, werfe ich ihr einen warnenden Blick zu. Ich weiß nicht, ob ich fliehen oder Würde vortäuschen soll. Nur wenige Schritte entfernt steht die Küchentür immer noch sperrangelweit auf. Doch ich widerstehe dem Drang, einfach abzuhauen, und strecke dem inzwischen vor mir stehenden Fremden mit aller Gelassenheit, die ich aufbringen kann, die Hand entgegen. Ich tue, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, an einem Wintertag in Nachthemd und Gummistiefeln auf dem Hofplatz zu stehen.
»Sie sind wohl Connor.«
»Und Ihnen ist wohl ein bisschen kalt«, erwidert er amüsiert.
Die Laute, die Cassie von sich gibt, kann man nur als Gackern bezeichnen.
Plötzlich scheint mir das freie Stück zwischen dem Hemdsaum und den alten Gummistiefeln so breit wie der Grand Canyon. Wieder werde ich rot, denn dem Mann muss klar sein, dass ich keinen Schlüpfer anhabe. Es ist mir unendlich peinlich, er jedoch wendet sich einfach an Laura und sagt: »Mac hat sich wohl mal wieder selbst eingeladen.«
Laura nickt. »Er schnarcht am Herd.«
»Der alte Faulpelz.« Connor lacht liebevoll. »Aber er hat sich keinen guten Zeitpunkt zum Spazierengehen ausgesucht. Ich fahre nämlich heute nach Plymouth, und da dachte ich, ich suche ihn lieber, bevor ich aufbreche, damit er zu Hause nicht vor verschlossenen Türen steht.«
»Du kannst ihn gerne bei uns lassen.«
»Danke, das hatte ich gehofft. Du hast hier ein Hundehotel eröffnet, was?« Connor deutet auf Shep, der gerade durch das Tor schlüpft, zweifellos um Lauras Hündin Meg zu besuchen. »Ich komme erst am späteren Abend zurück. Ist es in Ordnung, wenn ich ihn dann abhole?«
»Wann immer es dir passt. Wenn wir nicht hier sind, sind wir im Ship.«
Erst als Connor sich zum Gehen wendet, geruht Cas endlich, den Land Rover zu verlassen. Connor bleibt stehen und schaut sie mit gespielter Überraschung an, so als habe er nicht bemerkt, dass sie neugierig aus dem Geländewagen lehnt.
»Und wo bist du so plötzlich hergekommen?«, fragt er freundlich.
»Sie war feige. Hat sich vor Gertrude im Land Rover versteckt«, mischt Laura sich ein.
»Und mit wem bitte habe ich das Vernügen?«, versucht Connor es erneut.
Meine Stieftochter ist auf der Hut. »Cassie«, sagt sie nur.
»Ah ja, Laura hat mir von dir erzählt, du bist das also. Cassie – wofür ist das denn die Abkürzung?«
»Für Cassandra.«
»Das ist ein schöner Name, doch, wirklich.«
»Meine Mutter hat ihn ausgesucht«, erwidert Cassie loyal. Ich weiß nur zu gut, dass sie ihren Namen hasst. Wenn jemand sie bei ihrem ganzen Namen nennt, wird sie immer sauer.
»In der griechischen Sage war Cassandra eine trojanische Prinzessin.«
»Ja.« Cas nickt. »Agamemnon hat sie geraubt und als Geliebte nach Griechenland mitgenommen, und da wurde sie dann von seiner eifersüchtigen Frau umgebracht, von Klytämnestra.« Bilde ich mir das ein, oder schaut Cas bei diesen Worten zu mir hinüber?
»Aha, du kennst dich also in den griechischen Sagen aus, toll. Schön, dich kennenzulernen, Cassie.« Connor streckt die Hand aus, und Cassie schüttelt sie kurz. »Und schön, dass ich Sie auch gesehen habe.« Er dreht sich um und zwinkert mir zu. »Tschüs, Laura. Bis später dann.«
Laura winkt ihm nach, während er zu seinem Wagen schlendert, der vor dem geschlossenen Gattertor parkt. Der Himmel weiß, wie lange der Kerl hinter mir gestanden hat. Ich habe jedenfalls kein Auto kommen hören. Kein Wunder, denn Gertrude hat einen Höllenlärm gemacht, als Laura sie endlich hinter Schloss und Riegel hatte.
»Herrgott im Himmel«, fauche ich, als Connor losfährt. »Das glaub ich
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