Wiedersehen in Stormy Meadows
seinem Blick gehen über die gewöhnlichen Fähigkeiten eines Tieres weit hinaus.
4
E igentlich müsste ich mich bei Laura bedanken.
Eine neue Herzlichkeit ist in unseren Haushalt eingekehrt. Auch wenn ich selbst mehr oder weniger davon ausgeschlossen bleibe, bin ich doch dankbar dafür, denn zu sehen, wie Cassie fröhlicher wird, macht mir selbst das Leben leichter.
Ich weiß nicht genau, wie Laura das hingekriegt hat, ich weiß bloß, dass die beiden sich unterhalten haben, während ich in Sturm und Regen über Land’s End gestapft bin. Soviel hat meine Mutter mir erzählt, aber mehr auch nicht. Was immer sie gesagt oder getan hat, es scheint den Eispanzer aufgebrochen zu haben, in den Cassie sich eingeschlossen hatte. Jetzt sind die beiden Vertraute.
Hin und wieder überkommt mich, ohne dass ich etwas dagegen tun kann, richtige Eifersucht. Meine Mutter hat in der letzten Woche eine bessere Beziehung zu Cassie aufgebaut als ich in den ganzen drei Jahren, die ich sie nun kenne.
Außerdem versetzt es mir einen Stich mitanzusehen, wie Cas von meiner Mutter die Zuneigung erhält, nach der ich mich in ihrem Alter so verzweifelt gesehnt habe. Ich versuche mir zu sagen, dass das alles längst Vergangenheit ist, aber es ist nicht so einfach, sich wie eine Erwachsene zu verhalten, wenn man sich innerlich wie ein Kind fühlt, das nur in die Arme genommen werden will und hören möchte, dass alles gut wird.
Am Montagmorgen schlafe ich wieder aus. Als ich herunterkomme, haben die beiden schon sämtliche Arbeiten erledigt. Sie haben die Tiere gefüttert und getränkt und die Post aus dem amerikanischen Briefkasten oben an der Landstraße geholt, und jetzt bereiten sie das Frühstück zu.
Laura brät gerade Speck. Sie legt den Pfannenwender ab und schenkt mir Tee ein.
»Ihr hättet mich ruhig wecken sollen, dann hätte ich euch geholfen«, sage ich etwas muffelig, als ich die heiße Teetasse entgegennehme.
»Keine Sorge, wir haben schon früh angefangen. Cas und ich fahren heute zum Einkaufen nach Truro. Sie braucht ein paar Kleinigkeiten.«
Ich will nichts essen, sondern umklammere nur meine Tasse, bis der Tee kalt ist.
Laura und Cas dagegen vertilgen ein komplettes englisches Frühstück. Beim Essen plaudern sie mit neuer Selbstverständlichkeit. Es wäre schön, wenn sie mich in ihr Gespräch einbeziehen würden, und ich bin auch etwas enttäuscht, dass sie mich nicht zu ihrem Ausflug einladen. Als sie das Haus verlassen, schaue ich ihnen nach, aber sie drehen sich nicht mal nach mir um.
Wieder muss ich mir sagen, dass ich eine erwachsene Frau bin, nicht ein Schulmädchen, das eingeschnappt ist, weil die anderen es bei ihrer Vergnügungsfahrt nicht dabeihaben wollen.
Das Wetter ist tatsächlich besser geworden. Von dem Regen, der uns tagelang genervt hat, ist nichts mehr zu sehen. Die Sonne scheint sogar vom blassblauen Himmel, und wenn die Luft nicht so kalt wäre, könnte es ein Sommertag sein, August statt Dezember.
So ganz allein fühle ich mich im Haus eingesperrt und unruhig. Ich versuche es mit Arbeit, kann mich aber nicht richtig darauf konzentrieren. Nachdem ich eine halbe Stunde lang auf den leeren Bildschirm meines Laptops gestarrt habe, gebe ich auf und beschließe, die etwa zwei Meilen nach Trenrethen zu laufen und selbst ein wenig einzukaufen.
Ich laufe quer über die Wiesen. Erst bei den Ausläufern des Dorfes stoße ich auf die Straße und folge ihr hinunter ins Ortszentrum. Trenrethen ist ein malerischer Ort, ein typisches kornisches Dörfchen mit urigen Cottages und verschiedenen Souvenirshops, die Fudge und Marmelade verkaufen und winzige vergoldete Piskies, Naturgeister, die im Schneidersitz auf kleinen kornischen Felssplittern hocken. Das Dorf kuschelt sich in ein Tal, das sich wie eine Falte in der Landschaft zum Meer hin absenkt. Zu beiden Seiten der langen Main Street schmiegen die Häuser sich an die sanft abfallenden Berghänge.
Im Westen kann ich in der Ferne das Dach vom Ship Inn sehen, und im Osten, auf dem Berg gegenüber, steht etwas erhöht eine Kirche. Nach Osten führt der Weg zum Heil, nach Westen in den Ruin.
Ich spaziere durch die Geschäfte, was nicht lange dauert, denn außer dem Dorfladen gibt es nur vier: ein Postamt, einen Bäcker und zwei Souvenirläden. Der eine ist eher traditionell ausgerichtet, der andere ein wenig esoterisch: Er verkauft Kristalle, silberne Amulette, Duftkerzen und Öle für die Aromatherapie. Im ersten Souvenirladen erstehe ich Fudge mit Rum
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