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Wiedersehen in Stormy Meadows

Wiedersehen in Stormy Meadows

Titel: Wiedersehen in Stormy Meadows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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helfen, abgelehnt. Sie steht am Spülbecken und wiegt sich hin und her, so wie sie es immer tut, wenn ihre Bewegungen durch eine Arbeit eingeschränkt sind. Dabei heben und senken sich ihre Schultern im Rhythmus der Musik. Leise singt sie einen Song von Jill Ireland mit, dann wird ihre Altstimme lauter, und plötzlich macht sie einen Schritt rückwärts, sodass der Seifenschaum von ihren Händen auf den Fußboden tropft, und dann tanzt sie durch die Küche.
    Cas sieht auf, ein Lächeln umspielt ihre Lippen, doch sie wird gleich wieder ernst, als sei Lauras Benehmen ihr peinlich. Ein schnelles Stück beginnt, und Laura tanzt Jive dazu, so gut, dass Cas sie fasziniert beobachtet. Aber meine Mutter möchte nicht allein tanzen. Als sie sieht, dass ich ihr zuschaue, streckt sie lächelnd beide Hände nach mir aus.
    Ich ignoriere diese Aufforderung, doch meine Mutter lässt nicht locker. Als ich den Kopf schüttle, wendet sie sich an Cassie. Die tut so, als wäre sie wieder in ihre Illustrierte vertieft, aber aus den Augenwinkeln schaut sie zu.
    Laura fasst Cassie an den Händen und zieht sie hoch. Die Überraschung und Lauras schwungvolle Bewegung lassen dem Mädchen keine Möglichkeit, sich zu entziehen, und im nächsten Augenblick tanzen meine Mutter und meine Stieftochter gemeinsam durch die Küche. Anfangs wirkt Cassie noch ärgerlich und verlegen, sie ist steif und zieht die Füße nach. Aber Lauras Freude ist ansteckend, und bald macht Cassie ihr mit einem gekonnten Jive Konkurrenz. Ein Tango beginnt, und Laura wirbelt das Mädchen in allerlei Drehungen und Figuren durch die Küche. Auf einmal beginnt Cassie zu lächeln, und zu meinem großen Erstaunen folgt auf dieses Lächeln bald atemloses Gelächter.
    Dann ist die Musik zu Ende, und der Zauber ist vorbei. Einen Moment lang herrscht verlegenes Schweigen, die Tänzerinnen stehen still, selbst die Hunde scheinen auf etwas zu warten – vielleicht auf irgendeine Explosion oder einen Wutausbruch der unberechenbaren Cassandra. Doch da schließt Laura sie lachend in die Arme und drückt sie so fest an sich, dass ihr nun auch der letzte Rest Puste wegbleibt.
    Erst leistet Cassie bei dieser unerbetenen Umarmung Widerstand, doch dann kommt es mir vor, als würde ihr ganzer Körper tief aufseufzen, und sie entspannt sich, schlingt ihrerseits die Arme um meine Mutter und lässt den Kopf an ihre Schulter sinken. Als die beiden sich wieder voneinander lösen, lächelt Cassie zu meiner Mutter hoch. Zum ersten Mal sehe ich, dass ihr sonst so blasses Gesicht Farbe hat. Meine Mutter streckt die Hand aus und streicht ihr, als wäre es das Normalste auf der Welt, über ihr kurzes Haar. Cassie lächelt immer noch.
    Meine Mutter kann zaubern.
    Die kurze Ansage des Radiomoderators geht in ein weiteres Musikstück über, und Laura kehrt an die Spüle zurück. Wortlos schnappt Cassie sich ein Geschirrtuch und stellt sich neben sie.
    Obwohl Laura und Cassie es waren, die so verrückt in der Küche herumgetanzt sind, ist mir plötzlich sehr heiß. Leise stehe ich vom Tisch auf und gehe hinaus auf den Hof. Die Nacht ist klar und kalt, der Himmel mit Millionen funkelnder Sterne übersät, und der Mond in der Ferne wirkt so unerreichbar rätselhaft wie Cassie.
    Mein Atem schwebt in einer dampfenden Wolke vor mir, als ich einen tiefen Seufzer aussstoße. Weit entfernt höre ich einen Hund heulen und ein altes Auto brummen, das sich die Straße nach Sennen Cove hochquält.
    Chance hat meine Schritte vernommen und taucht aus dem tiefen Schatten seiner Box auf. Er begrüßt mich mit einem freundlichen Schnauben. Ich gehe zu ihm hinüber, und er atmet mir ins Gesicht und in die Haare und befühlt mit den Lippen meine Jacke, denn er ist sicher, dass ich ihm etwas Leckeres mitgebracht habe. Als er nichts findet, prustet er enttäuscht in mein rechtes Ohr. Aber statt sich in das kuschlige Stroh hinten in der Ecke zurückzuziehen, streckt er den langen Hals noch weiter über die Halbtür und legt sein Kinn auf meine Schulter, drückt seine Wange an meine und atmet mir warm in den Nacken.
    Ich schließe die Augen und lehne mich dankbar an. Einsamkeit überkommt mich, so intensiv, als würde ich in eine tiefe Finsternis stürzen.
    Ich weiß nicht, wie lange ich am Pferdestall stehe, während Chance mir seinen warmen, süß nach Heu duftenden Atem über die Haut bläst. Aber als ich endlich die Augen öffne, schaue ich direkt in seine Pferdeaugen. Die Intelligenz, das Mitgefühl und das Verständnis in

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