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Wiedersehen in Stormy Meadows

Wiedersehen in Stormy Meadows

Titel: Wiedersehen in Stormy Meadows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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warnen, gehe ich weiter über Steine und Gras bis an den Klippenrand. Ich blicke aufs Meer hinaus, dann hinunter auf die Felsen unter meinen Füßen. Ich denke nicht mehr, schaue nur noch, spüre, wie die Welt um mich herum tost und tobt und heult, so als gehörte ich gar nicht dazu.
    Ich glaube, wir alle suchen nach einem Menschen, der uns vollkommen versteht. Nach einem Menschen, dem wir nichts erklären müssen und der das, was wir sagen oder tun, nicht missversteht.
    In Rob hatte ich diesen Menschen gefunden, und ich glaube nicht, dass er sich jemals ersetzen lässt.
    Rob kannte mich.
    Er kannte mich durch und durch, und ich kannte ihn. Wir konnten uns mit einem einzigen Blick verständigen, einem Blick, der oft Bände sprach. Diese Vertrautheit vermisse ich mehr als alles andere.
    Ich weiß, es klingt klischeehaft, wenn ich das so sage, aber ein Teil von mir fehlt. Wenn man jemandem so nah ist, wird er zu einem Teil der eigenen Person.
    Ich vermisse ihn so sehr.
    Cassie vermisst ihn auch. Das erkenne ich an ihrer Wut. Robs Tochter ist vor lauter Verzweiflung wütend, weil sie glaubt, niemand könne ihren Schmerz verstehen. Wenn sie bloß wüsste, wenn sie bloß sehen könnte, dass ihre Gefühle sich in meinen Augen widerspiegeln.
    Statt mich zurück zum Parkplatz zu begeben, gehe ich den Küstenweg entlang. Ich laufe, renne fast, als könnte ich alles hinter mir lassen, wenn ich mich nur schnell genug bewege. Der Wind peitscht mir das Haar ins Gesicht, und während ich weiterhaste, sehe ich nur noch die Felsbrocken, über die meine Füße stolpern. Die Windstöße sind so heftig, dass sie in meinen Ohren wie Explosionen klingen.
    Erst als meine Beine allmählich ermüden, beruhigen sich auch meine Gedanken. Ich bleibe stehen und schaue mich um. Ich weiß nicht genau, wie weit ich gegangen bin, aber es war ein langer Weg. Wenn ich weitergehe, müsste ich bald an Sennen Cove vorbeikommen, dann am Ship Inn und schließlich auf Stormy Meadows landen.
    Das wäre vielleicht das Klügste. Ich könnte den Wagen auf dem Parkplatz stehen lassen und meine Mutter bitten, mich morgen hinzufahren, um ihn abzuholen. Plötzlich fühle ich mich unendlich müde. Der Regen hat nachgelassen, es nieselt nur noch. Ringsherum sind weder Wohnhäuser noch eine Straße zu sehen. Ich möchte mich hinsetzen, mir eine Pause gönnen und mich dann wieder auf den Rückweg machen. Ohne Auto nach Hause zu kommen, würde Fragen provozieren, die ich nicht beantworten möchte. Ich kann ja auf der Heimfahrt am Dorfladen halten und Laura gegenüber behaupten, ich hätte plötzlich ein unbezähmbares Verlangen nach irgendeinem Nahrungsmittel gehabt, das wir nicht im Haus hatten.
    Ich versuche, mich zu orientieren. Gleich vor mir steht ein kleines graues Häuschen. Ein Schild besagt zwar, dass es dem National Trust gehört, nicht aber, worum es sich handelt. Die schwarzen Fensterläden sind mit Vorhängeschlössern gegen die Angriffe des Westwindes gesichert. Vermutlich war es einmal das Häuschen eines Huers. Damals war das ein einsamer, aber notwendiger Job. Der Huer trommelte laut rufend die Fischer zusammen, sobald er einen der so begehrten Sardinenschwärme entdeckte. Das kleine Gebäude bot ihm Schutz, während er nach den Fischen Ausschau hielt.
    Mich schützt das Häuschen heute nicht, also gehe ich daran vorbei und einen Abhang hinunter bis an den Rand der Steilküste, wo wie ein eingestürztes Bauwerk ein grauer Felshaufen liegt. Zwischen den Felsen hindurch windet sich ein schmaler Pfad abwärts. Ich folge ihm bis zu einem halb versteckten Durchgang und finde mich in einer Mulde wieder, von Felsgestein umgeben und vor den Elementen geschützt. Etwa einen Meter vor mir fällt der Untergrund ins Bodenlose ab. Ich trete einen Schritt nach vorn, sodass meine Zehen fast die Kante berühren. Sofort trifft mich wieder ein Windstoß.
    Von dem Stein unter meinen Füßen kann ich direkt auf das Meer fast zwanzig Meter unter mir sehen. Die Wellen krachen gegen das zerklüftete Gestein, als wollten sie nach mir greifen.
    Seit ich nichts mehr habe, für das ich lebe, fürchte ich mich auch nicht mehr vor dem Tod. Ich gehe noch ein wenig dichter an die Kante heran, wohl wissend, dass das Gestein unter meinen Füßen von der Gischt und dem durchnässten Flechtenbewuchs glatt ist. Ein Windstoß könnte mich vom Klippenrand stoßen, mich in den weiten, vom Sturm aufgepeitschten Ozean stürzen.
    Ich breite die Arme aus und werfe den Kopf zurück. Und dann

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