Wiedersehen in Stormy Meadows
zu Fuß gekommen.«
»Dann bringe ich dich zurück, wenn du deinen Kaffee ausgetrunken hast. Wir wollen mal sehen, ob die beiden anderen schon von ihrem Einkaufsbummel wieder da sind, ja?«
»Nein, das kann ich nicht annehmen. Ich meine, das ist sehr nett von dir, aber es ist doch genau die andere Richtung. Außerdem gehe ich wirklich gern zu Fuß.«
»Es macht mir keine Mühe.«
»Danke, aber nein, ich laufe zurück. Das möchte ich gern.«
»Wenn du unbedingt willst.«
»Ja. Aber danke für das Angebot und den Kaffee und die Gesellschaft.«
»Jederzeit, Herzchen. Wir sehen euch doch bald wieder im Ship, oder?«
»Auf jeden Fall.«
Orlaithe steht auf und sammelt mit ringgeschmückten Händen ihre Einkaufstaschen zusammen.
Ich erhebe mich ebenfalls. »Danke, Orlaithe. Du kannst gut zuhören.«
»Na ja, wenn man dreißig Jahre lang hinter der Theke steht, lernt man das zwangsläufig, ja. Aber es hat mir Freude gemacht, Nattie, wirklich. Pass gut auf dich auf.« Sie fasst mich an den Schultern und drückt mir rechts und links ein knallrosa Küsschen auf die Wange.
Laura und Cassie sind tatsächlich zurück, als ich wieder auf Stormy Meadows ankomme. Auf dem Fußboden liegen mehrere Einkaufstaschen, und Cas deckt gerade den Tisch. Das Abendessen ist fast fertig.
»Wir hatten solchen Hunger, dass wir nicht auspacken konnten«, erklärt Laura am Herd. »Da haben wir gedacht, wir essen erst mal.«
Es gibt Lauras Lieblingsessen – Leber und Speck mit Kartoffelbrei und Zwiebelsoße. Als Laura uns dieses Gericht zum ersten Mal servierte, ist Cas vor Schreck fast in Ohnmacht gefallen und hat sofort verkündet, sie sei Vegetarierin, obwohl sie am gleichen Morgen ein gewaltiges Sandwich mit gebratenem Speck verputzt hatte. Trotzdem konnte Laura sie überreden, wenigstens ein bisschen davon zu probieren.
Laura hat eine ganz besondere Art, mit Cas umzugehen. Ich wünschte, ich könnte mir eine Scheibe davon abschneiden. Meine Mutter ist ruhig, aber bestimmt, unnachgiebig, aber immer fair, und darauf spricht Cassie an. Wenn die beiden zusammen sind, verwandelt sich der sture, unhöfliche, unkooperative Teenager, den ich kenne, in ein ganz anderes Mädchen.
Inzwischen hat Cassie sogar die Pflege der Gänse und Hühner übernommen, obwohl sie die Tiere auf dem Hof, insbesondere das Geflügel, anfangs total ätzend fand. Seit ein paar Tagen schon füttert und tränkt sie die ganze Rasselbande zweimal täglich.
Außerdem hat Laura Cassie ermutigt, Chance zu reiten. Zwar behauptet das Mädchen immer noch, sie interessiere sich nicht für Pferde, denn für eine fast Sechzehnjährige, die extrem cool sein will, ist die Beschäftigung mit solchen Dingen natürlich unter aller Würde, aber sie hat eingewilligt, ihn zu bewegen. »Nur um Laura zu helfen«, wie sie betont.
Schon am nächsten Morgen finde ich die beiden unten auf der großen Wiese. Laura hat Chance an der Longe, und Cassie lässt das Pferd in einem großen Kreis um sie herum galoppieren. Hin und wieder ruft Laura ihrer Schülerin zu, sie solle sich aufrichten oder die Absätze tiefer halten.
Die Sonne, die uns gestern kurz mit ihrer Anwesenheit beehrte, ist auch heute wieder da. Ein wenig bleich und fahl hängt sie am blassblauen Himmel. Der Boden ist noch quatschnass, und Chance versprüht bei jedem Galoppsprung eine schmutzige Fontäne, doch er dreht gutmütig weiter Runde um Runde. Cas reitet sehr gut – sie hat, wie Pferdeleute es nennen würden, einen guten Sitz. Und außerdem hat sie, wie mir auffällt, Publikum.
An dem Ende der Langscheune, das auf die Wiese hinausgeht, lehnt eine Leiter, und an ihrem Fuß steht Hank. Er beobachtet, wie Cassie mit leichter Hand das große Tier beherrscht, und nickt anerkennend. Ein weiterer Zuschauer ist ein junger Mann mit strubbligem, von der Seeluft gebleichtem Haar, der oben auf dem Dach der Langscheune steht. Obwohl es nicht gerade warm ist, trägt er nur zerrissene Jeans und ein ausgeblichenes T-Shirt.
»Wer ist das denn?«, frage ich Laura, nachdem sie die Longe von Chances Trense losgehakt und Cas angewiesen hat, allein über die Wiese zu reiten.
»Das ist Luke.«
»Luke?«
»Ein junger Mann aus dem Dorf, er hilft Hank manchmal, wenn ihm eine Arbeit zu viel wird. Auch wenn Hank natürlich niemals zugeben würde, dass so was vorkommt. Ein paar Dachschindeln haben sich gelöst, deswegen ist Luke da oben und befestigt sie wieder. Aber ich glaube, im Moment findet er das, was hier unten passiert, viel
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