Wiedersehen in Stormy Meadows
ist.
Erst als meine Hände in der Wärme der Autoheizung langsam auftauen, wird mir bewusst, wie durchgefroren ich bin. Ich muss mich beherrschen, um nicht vor Schmerz zu stöhnen, als die Taubheit nachlässt und das Gefühl in die Fingerspitzen zurückkehrt.
Connor sieht zu mir herüber und weiß genau, was los ist. Meine Unterlippe ist ja auch ganz weiß, so fest beiße ich zu, um nicht aufzujaulen. Er sagt zwar nicht, dass ich ganz schön leichtsinnig gewesen sei, aber sein Blick spricht Bände. Er fährt links ran, nimmt meine Hände und fängt an, sie nacheinander zu rubbeln und zu kneten, bis der Schmerz übergeht in jenes Kribbeln, wie wenn ein eingeschlafener Fuß wieder aufwacht.
Dann fahren wir weiter. Nach fünf Minuten sind wir bei Connors Cottage.
Erst als ich die Lichter im und um das Haus sehe, wird mir bewusst, wie finster es innerhalb der letzten halben Stunde geworden ist. Die dunklen Wolken und der Sturm lassen die Nacht heute deutlich früher hereinbrechen als sonst.
Connors altes Bauerncottage schmiegt sich mit Blick auf das Meer zwischen zwei Hügel. »The Loft« ist ein langes, niedriges Gebäude mit weiß gekalkten Mauern. So ähnlich könnte ich mir Smuggler’s Cottage vorstellen, wenn es liebevoll restauriert und von freundlichen Menschen bewohnt würde.
Wir rennen durch den Regen vom Auto zum Haus. Connor schließt die schwere Haustür auf und schiebt mich in den Flur, während Mac sich zwischen uns hindurchdrängelt. Der Flur erstreckt sich von einem Ende des Hauses zum anderen. Ganz hinten führt eine Treppe nach oben in den ersten Stock.
Schweigend nimmt Connor mir meinen Mantel ab, der bereits eine Pfütze auf dem Fliesenboden hinterlassen hat, und wirft ihn auf einen der Haken am Fuß der Treppe. Seine nicht weniger triefende Jacke hängt er daneben. Ich bin so froh, den schweren Mantel los zu sein, da beschließt Mac, sich einmal kräftig zu schütteln. Ein Rasensprenger ist nichts dagegen. Jetzt bin ich nasser als eben vor der Haustür.
Auf Connors ernstem Gesicht macht sich endlich ein Lächeln breit. »Ach du liebes bisschen, wie siehst du denn aus? Wie ein begossener Pudel! Warte, ich hole dir ein paar Handtücher. Geh doch schon mal durch, ich komme gleich. Das Feuer ist an.« Er zeigt auf eine Tür zur Linken, dann verschwindet er die Treppe hinauf.
Ich ziehe meine verdreckten Stiefel aus und stelle sie auf den Fußabtreter neben der Haustür, dann ducke ich mich unter dem niedrigen Türsturz zur Linken hindurch. Ich finde mich in einem großen Raum mit Steinfliesen wieder. Durch zwei Panoramafenster könnte man, wenn es nicht so dunkel und stürmisch wäre, direkt auf den Atlantik blicken. Durch ein drittes Fenster am Ende des Raumes sieht man nicht in einen Garten, sondern auf den Berghang. Der Raum wirkt nicht wie ein gewöhnliches Wohnzimmer, sondern eher wie eine Galerie – ein Ausstellungsraum für einige seiner Kunstwerke.
Da sich in der Nähe des Feuers keine Sitzgelegenheit befindet, bleibe ich stehen und tropfe weiter vor mich hin, bis Connor mit zwei flauschigen Handtüchern und einem Pullover zurückkehrt. Ich mühe mich damit ab, mir meinen nassen, am T-Shirt klebenden Pulli auszuziehen.
»Komm mal her.« Connor macht einen Schritt auf mich zu, zieht mir ganz pragmatisch den Pulli und das T-Shirt über den Kopf, legt mir ein Handtuch um die Schultern und rubbelt mir mit dem zweiten die Haare trocken, genauso kräftig, wie er mir vorhin im Auto die Hände warm gerubbelt hat.
Irgendwann rubbelt er dann etwas langsamer und behutsamer, und dann schiebt er mir das Handtuch nach hinten über den Kopf und lässt es zu Boden fallen. Er legt mir das feuchte Haar zurecht. Sanft streicht er mir eine Strähne aus der Stirn und schiebt sie mir hinters Ohr.
»So – schon viel besser, oder?«, sagt er leise und lächelt mich an. Mir ist die Situation plötzlich tausendmal unangenehmer als der Moment, in dem er mich – die Wahnsinnige – draußen im Sturm vorfand.
Connor macht sich daran, meine Sachen zum Trocknen aufzuhängen. Ich streife mir seinen Pullover über und habe das Gefühl, mit ihm plaudern zu müssen.
»Du hast es ja wirklich schön hier.« Ich lächle, aber der Allgemeinplatz ist mir peinlich.
»Danke. Ich fühle mich wohl«, erwidert er, ohne mich anzusehen.
Ich schaue mich in dem Zimmer um. Auf einem alten Kiefernholztisch an der hinteren Wand steht ein großes Glas mit einer weißen Flüssigkeit und Pinseln, außerdem eine eckige Glasvase
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