Wiedersehen in Virgin River
„Das könnten wir machen. Bis dahin gibt’s aber noch etwas. Ich hatte doch immer meinen Kumpel Mike angerufen, um sicherzustellen, dass dieser Mistkübel in L. A. ist, wo er hingehört, aber wenn er jetzt in diesem Therapiezentrum in Minnesota steckt, solltest du die Staatsanwaltschaft selbst anrufen und dich vergewissern.“
„Oh“, sagte sie leicht verzagt. „Vielleicht könnte mein Anwalt das ja übernehmen?“
„Denk darüber nach, Paige“, riet ihr Preacher. „Übernimm die Kontrolle. Du weißt, ich passe gerne auf euch auf, aber es ist wichtig, dass du dein Selbstbewusstsein wiedergewinnst. Ich weiß, dass du es hattest, bevor … vor all dem.“
Ja, dachte sie. Ich war einmal selbstbewusst. Vielleicht weniger als andere junge Frauen … aber genug, um ein kleines Stück Raum aus der Welt für mich herauszuschneiden. Und obwohl es für sie kaum spürbar war, kehrte dieses Selbstbewusstsein wieder zurück, Stückchen für Stückchen. Ihre frühere Selbstsicherheit, ihr Selbstvertrauen würde sie auch wiedergewinnen müssen, denn für Christopher war sie bald der einzige Elternteil.
Sie hatte nicht daran geglaubt, diese einstweilige Verfügung oder das Sorgerecht beantragen zu können; die Furcht hatte sie im Griff. Aber mit John an ihrer Seite, der sie dazu ermutigte, hatte sie es getan. Es war scheußlich und erschreckend gewesen, aber sie hatte es durchgezogen, und Wes war in Handschellen abgeführt worden. Im Moment mochte er sich zwar in einem bequemen Therapieprogramm befinden, aber damit war es für ihn noch nicht ausgestanden. Es gab eine Menge, wofür er büßen musste, und seine Buße könnte hinter Gittern stattfinden, was sie und ihren Sohn für Jahre von ihm befreien würde. Nun, da sie einmal diese Richtung eingeschlagen hatte – sich von ihm zu befreien und ihr Leben zurückzugewinnen –, war sie entschlossen, sich allem zu stellen. Gleich, wie sehr es sie auch ängstigte.
Ein paarmal lief sie noch vor dem Telefon in der Küche hin und her, dann nahm sie den Hörer in die Hand und rief an. Am nächsten Tag hatte sich das Hin- und Herlaufen schon verkürzt, und als sie dann die Sekretärin des zuständigen Staatsanwalts an der Strippe hatte, wurde ihr mitgeteilt, dass man es an diesem Tag noch nicht überprüft hatte und möglicherweise auch nicht die Zeit dazu wäre. Vielleicht sollte sie lieber am nächsten Tag noch einmal anrufen. Plötzlich wurde sie wütend. „Nein!“, erwiderte sie. „Begreifen Sie denn nicht, dass mein Leben und das Leben meines Kindes durch diesen Mann permanent gefährdet sind? Dass er gedroht hat, mich umzubringen? Und wenn Sie einmal einen Blick in meine Arztberichte werfen würden, könnten Sie erkennen, dass er es offensichtlich auch versucht hat! Nein. Ich werde nicht bis morgen warten. Ich werde Sie in einer Stunde wieder anrufen!“ Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie auflegte und Preacher einen heimlichen Blick zuwarf. Sie konnte fühlen, wie ihre Wangen heiß geworden waren.
Er zog eine Augenbraue hoch und lächelte leise. „Na bitte“, sagte er nur.
Zwanzig Minuten später rief der Assistent der Staatsanwaltschaft dann selbst zurück. Er beruhigte sie und gab ihr die Nummer der Therapieeinrichtung sowie den Namen des Suchtberaters, mit dem er in Kontakt stand, und lud sie ein, direkt und so oft am Tag wie nötig dort anzurufen.
Und wieder lief sie vor dem Telefon auf und ab. „Was ist los?“, fragte Preacher.
„Ich weiß nicht. Es ist, als hätte ich Angst davor, er könnte selbst ans Telefon kommen oder so.“
„Und was, wenn er es täte?“
„Ich würde sterben!“
„Nein“, sagte er ruhig. „Du würdest auflegen, weil du nie wieder mit ihm sprechen musst. Richtig?“
„Ich muss es nicht“, wiederholte sie, ein wenig überrascht von dieser Realität. Die Gedanken wirbelten ihr durch den Kopf. Was, wenn er leugnete, sie je angerührt zu haben? Was, wenn er seine Therapeuten davon überzeugte, dass es ihm leidtäte? Schnell nahm sie den Hörer in die Hand und hieb auf die Nummerntasten ein, auch wenn ihr der Kopf von all diesen Möglichkeiten schwirrte. Was, wenn er ihr etwas ausrichten lassen wollte? Was, wenn er darum bat, sie anrufen zu dürfen, um mit Christopher zu sprechen? Er hatte nie mit Christopher reden wollen, aber sie würde ihm durchaus zutrauen, dass er ein Interesse an seinem Sohn vortäuschen könnte.
Ihr Anruf wurde angenommen, sie ließ sich mit dem Berater verbinden, und als er sich meldete, sagte
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