Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
werde ich als Exknacki, der die letzten vier Monate im Gefängnis gesessen hat, mal selbst überprüfen, wie Selene aussieht.« Kyle legte auf dem Weg nach draußen eine Hand auf Dex’ Schulter. »Danke, Dex. Für alles. Das werde ich dir nie vergessen.«
Dex nickte und wusste genau, was er meinte. Sie waren seit der Uni miteinander befreundet, und mehr musste nicht gesagt werden. »Jederzeit.«
Kyle verließ sein Büro und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Er fand Selene im Eingangsbereich vor der Haustür. Sie sah in ihrem silbernen Minikleid und den passenden High Heels einfach atemberaubend aus.
Als sie Kyle näher kommen sah, lächelte sie ihn an. »Was für eine Party!«
Kyle musterte sie von oben bis unten. »Was für ein Kleid!«
»Danke, ich habe es extra für dich ausgesucht.« Sie trat näher und senkte ihre Stimme zu einem aufreizenden Flüstern. »Vielleicht kann ich dir ja später zeigen, was ich darunter trage.« Sie schob sich an ihm vorbei, ließ ihre Hand dabei vielsagend an seiner entlangstreifen und verschwand zwischen den anderen Gästen.
Kyle warf einen Blick über seine Schulter und beobachtete, wie sich ihre Hüften beim Gehen hin- und herbewegten.
So sollte es immer sein. Einfach. Leicht. Keine chaotischen Gefühle oder Verstrickungen.
Er mochte noch nicht alles wieder auf die Reihe gebracht haben, seit er aus dem Gefängnis entlassen worden war, aber so viel wusste er zumindest schon.
4
Rylann war fast damit fertig, ihre Koffer auszupacken, als sie bemerkte, dass sie ihre Kleidung in nur eine Hälfte des Schranks gehängt hatte.
Offenbar brauchte ihr Unterbewusstsein noch ein wenig, um sich anzupassen.
Ihre neue Wohnung in Chicago hatte nur genau eins von allem: ein Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer, einen begehbaren Kleiderschrank, einen Stellplatz, einen Satz Geschirr, eine Zahnbürste, und – am allerwichtigsten – nur eine Besitzerin. Es gab keine andere Hälfte.
Sie schnappte sich mehrere ihrer Anzüge und hängte sie in die leere Seite des Schranks. Dann fand sie, dass sie dort traurig und allein wirkten, also packte sie noch ein paar Pullover in das Fach darüber, gefolgt von ihren Sportsachen.
Es war immer noch nicht genug.
Sie eilte zurück in ihr Schlafzimmer, wo noch ein weiterer Koffer offen auf dem französischen Bett lag, und zog zwei schwarze Cocktailkleider heraus, die ihr Standardoutfit bei berufsbedingten Abendanlässen waren. In San Francisco war sie Mitglied der Rechtsanwaltskammer von Kalifornien gewesen – sie hatte sogar beim Ethikkomitee mitgearbeitet –, und im Rahmen dieser Funktion war sie häufig zu Cocktail- und Dinnerpartys eingeladen gewesen, die die einflussreichen Personen der juristischen Szene der Stadt veranstaltet hatten. Als hochangesehene stellvertretende Staatsanwältin waren das Kreise gewesen, in denen sie sich stets gern bewegt hatte.
Doch momentan suchte sie sich neue Kreise. Darum war es bei ihrem Umzug nach Chicago schließlich gegangen.
Rylann hängte die Cocktailkleider an die Stange neben ihre Kostüme und trat einen Schritt zurück, um das Ergebnis zu betrachten. Mit der ungewöhnlichen Mischung aus Pullovern, Anzügen, Sportklamotten und Kleidern war es nicht der organisierteste Schrank, den sie jemals gesehen hatte, aber fürs Erste würde es genügen.
Zwanzig Minuten später musste sie beim Auspacken einen kurzen Moment innehalten. Sie war über das Kleid gestolpert, das tiefrote Kleid mit dem V-Ausschnitt, das sie am Abend des niemals zustande gekommenen Antrags getragen hatte. Sie hätte es wegen seines schlechten Karmas einfach verbrennen sollen, doch es ließ ihre Oberweite ein ganzes Körbchen größer aussehen. Schlechtes Karma hin oder her, es handelte sich um ein äußerst magisches Kleid.
Außerdem bezweifelte Rylann, dass Jon, ihr Exfreund, jemals in Tränen ausbrach, wenn er sich den Anzug ansah, den er an ihrem letzten Abend als Paar getragen hatte, also warum sollte sie es tun? Angesichts der Tatsache, dass sie die letzten fünf Monate überhaupt keinen Kontakt miteinander gehabt hatten, vermutete sie sogar, dass er sich wahrscheinlich nicht mal mehr daran erinnerte, was er getragen hatte.
Rylann hielt inne, als ihr plötzlich klar wurde, dass sie ebenfalls nicht mehr wusste, was er angehabt hatte.
Ja. Fortschritt.
Sie hatte einen Sechsmonatsplan, um über ihren Ex hinwegzukommen, und stellte erfreut fest, dass sie im Zeitplan lag. Sie war ihm sogar voraus – sie hatte zwei Tage für einen
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