Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
Tag, an dem Kyle verhaftet worden war, hatte sich so vieles verändert, und ehrlich gesagt war er sich nicht sicher, ob er das alles schon verarbeitet hatte. Fünf Monate zuvor hatte er eine erfolgreiche Karriere bei der Rhodes Corporation und ein Victoria’s-Secret -Model als Freundin gehabt und gedacht, dass er sich auf seinen Freundeskreis verlassen konnte. Nun war er arbeitslos, seine beruflichen Aussichten waren schlecht – da es niemand auf seinem Gebiet jemals in Betracht ziehen würde, einen verurteilten Hacker einzustellen –, und er war vorbestraft.
Und man musste kein Technikgenie sein, um zu erkennen, wo seine Schwierigkeiten angefangen hatten.
Es war klar, dass er und Beziehungen nicht so richtig zusammenpassten. Sein erster – und einziger – Versuch einer ernsthaften Bindung hatte damit geendet, dass man ihn betrogen und öffentlich mit ihm Schluss gemacht hatte. Und zu allem Überfluss war er auch noch im Gefängnis gelandet. Aber sosehr er auch versucht war, Daniela die Schuld an allem zu geben, konnte er sie doch nicht für seine eigene Blödheit verantwortlich machen. Es war eine Riesendummheit gewesen, sich in Twitter zu hacken; niemand hatte ihn dazu gezwungen. Und er konnte die Schuld am Ende ihrer Beziehung auch nicht allein auf Daniela abwälzen. Ja, die Art, wie sie mit ihm Schluss gemacht hatte, entlarvte sie als kaltherziges Miststück. Aber während der langen einsamen Gefängnisnächte war ihm klar geworden, dass er diese Beziehung von Anfang an nur halbherzig angegangen war. Damals hatte er sich eingeredet, dass er dazu bereit war, doch nun hatte er – und die Hälfte der westlichen Welt – gesehen, wie falsch er damit gelegen hatte.
Es handelte sich um einen Fehler, den er nicht wiederholen würde. Zumindest für eine sehr lange Zeit nicht.
Aber das Ganze hatte auch eine positive Seite: Er war ein Meister des Unverbindlichen. Flüchtige Affären? Das war seine Welt. Sex? Er hatte noch nie Beschwerden gehört. Er würde also von jetzt an auf seiner Spur bleiben und das tun, worin er am besten war. Rendezvous, Flirts, Verführungen, kompromissloser Höhlenmenschensex, es war alles da. Ausgeschlossen war jedoch jedes tiefere Gefühl, das über eine angenehme Erinnerung hinausging.
Genau in diesem Augenblick steckte Dex seinen Kopf ins Büro. »Ich dachte mir schon, dass ich dich hier finde«, sagte er und betrat das Zimmer.
Kyle hielt sein Glas hoch. »Musste mir nachschenken. Ich dachte, dass es hier drinnen einfacher wäre, als sich draußen durch die Menge zu kämpfen.«
»Ist die Party zu viel für dich?«
Kyle erhob sich von seinem Schreibtisch und ging Richtung Tür. Vielleicht war die Party ein wenig zu viel, aber er wusste, dass Dex es gut gemeint hatte. »Überhaupt nicht«, log er grinsend. »Diese Party ist genau das, was ich brauche.«
»Was, denkst du, würden deine Freunde im Büro der Staatsanwaltschaft sagen, wenn sie davon wüssten?«, fragte Dex schmunzelnd.
»Hey, es nennt sich Hausarrest. Und ich bin zu Hause, oder nicht?« Und solange er sich an die Auflagen seiner überwachten Freilassung hielt, war es ihm scheißegal, was die Staatsanwaltschaft dazu sagte. In drei Tagen würde er sie ohnehin los sein.
»Da wir gerade von deinen Freunden sprechen … Selene Marquez ist soeben eingetroffen«, sagte Dex. »Sie hat nach dir gefragt.«
»Hat sie das?« Kyle kannte Selene gut – ziemlich gut. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt und arbeitete als Model in Chicago. Gleichzeitig versuchte sie, in die New Yorker Szene hineinzukommen. Und sie hatte Beine, die bis in den Himmel reichten. Vor seiner Zeit mit Daniela hatten Selene und er sich öfter getroffen und immer viel Spaß miteinander gehabt.
»Vielleicht sollte ich ihr dann mal besser Hallo sagen gehen. Den guten Gastgeber spielen und so weiter.« Kyle hob fragend eine Augenbraue. »Wie sieht sie aus?«
»Also, wenn ich ein Exknacki auf Sexentzug wäre, der die letzten vier Monate im Gefängnis gesessen hat, würde ich sagen, sie sieht ziemlich gut aus.« Dex schlug sich gegen die Stirn. »Oh … warte!«
»Das ist echt lustig, Alter. Witze über einen Ort zu reißen, an dem ich in ständiger Angst davor gelebt habe, abgestochen oder vergewaltigt zu werden.«
Dex’ Gesichtsausdruck änderte sich, und er wirkte sofort beschämt. »Scheiße! Ich bin ein Arsch. Ich hätte das nicht sa…« Er hielt inne, als er Kyles Grinsen bemerkte. »Und … du verarschst mich gerade total, oder?«
»Ja. Und jetzt
Weitere Kostenlose Bücher