Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
dass es für mich in Rom viele Arbeitsangebote gibt.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich verdiene jede Menge. Du brauchst nicht zu arbeiten.«
Rylann warf ihm einen scharfen Blick zu. »Wenn ich angeblich so karrieregeil bin, hilft das nicht besonders, um mir diese Sache schmackhaft zu machen, oder?«
Jon lehnte sich zurück und schwieg einen Moment. »Und das war es jetzt also?« Er gestikulierte wütend. »Nach Italien zu gehen, passt nicht in deinen Zehnjahresplan oder sonst was, also ziehst du deinen Job mir vor?«
Eigentlich war es ein Zwölfjahresplan, und alles zusammenzupacken und ohne Aussicht auf einen Job nach Rom zu ziehen, war definitiv kein Teil davon. Doch Jon umging mit dieser Argumentation geschickt den eigentlichen Punkt. »Nach Italien zu ziehen, mag vielleicht dein Traum sein, aber … es ist nicht meiner«, sagte sie.
»Ich hatte gehofft, dass es unser Traum sein könnte.«
Hatte er das? Rylann legte ihre Arme auf den Tisch. Irgendwann hatte sich dieses Gespräch in ein Kreuzverhör verwandelt. »Du hast gesagt, dass du um diese Versetzung gebeten hast. Hast du ihnen gesagt, dass du das erst mit mir besprechen musst, bevor du dich dazu verpflichtet hast?«
Jon erwiderte Rylanns Blick mit einem schuldbewussten Ausdruck, den sie gut kannte, denn sie hatte ihn schon zahllose Male in den Gesichtern der Kriminellen gesehen, die sie angeklagt hatte.
»Nein«, antwortete er leise.
Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.
Fast sechs Monate nach diesem Abend saß Rylann auf dem Boden ihres Wohnzimmers und räumte eine Kiste aus, in der sich die Hälfte des Essgeschirrs von Villeroy & Boch befand, das sie und Jon sich gemeinsam gekauft hatten. Jon hatte darauf bestanden, dass sie das komplette Set für zehn Personen nahm, doch um ihm und seinem falschen Erbarmen eins auszuwischen, hatte sie nur die Hälfte angenommen. Jetzt fragte sie sich allerdings, was sie mit einem unvollständigen Satz Porzellangeschirr machen sollte.
Sie und ihr verdammter Stolz.
Ihr Handy klingelte, also verschob sie die Essgeschirrfrage auf später. Sie kramte auf dem Boden herum und fand ihr Mobiltelefon schließlich unter einem Haufen Packpapier. Sie warf einen Blick auf das Display und sah, dass es Rae war. »Hey, du!«
»Wie ist die neue Wohnung?«, fragte Rae.
Rylann klemmte das Handy zwischen Ohr und Schulter, um während des Telefonats die Hände freizuhaben und weiter auspacken zu können. »Momentan hauptsächlich eine Katastrophe, weil ich zu spät angefangen habe. Ich habe den Nachmittag damit verbracht, mir die Nachbarschaft anzuschauen.« Und sie hatte sich in ihrem Trenchcoat fast den Hintern abgefroren. Offenbar hatte man vergessen, der Stadt Chicago mitzuteilen, dass Frühling war. »Wenn ich mich richtig erinnere, hatte mir jemand angeboten, vorbeizukommen und zu helfen«, sagte sie neckend.
Rae klang schuldbewusst. »Ich weiß. Ich bin die schlechteste Freundin der Welt. Ich hänge immer noch auf der Arbeit fest. Nächste Woche steht ein summarisches Urteil an, und der Entwurf, den mir unser Praktikant geschickt hat, ist nicht zu gebrauchen. Ich bin schon den ganzen Nachmittag damit beschäftigt, ihn umzuschreiben. Aber in einer Stunde bin ich bestimmt bei dir. Und ich bringe Teilchen mit.«
Rylann zog einen Dessertteller aus der Kiste. »Oh … wie schön! Wir können sie von meinem äußerst schicken unvollständigen Porzellangeschirr essen.« Sie sah sich um. »Mal ernsthaft, was soll ich mit einem Service für fünf Personen anfangen?«
»Du könntest … eine aufwendige Dinnerparty schmeißen. Für meinen imaginären Freund, deinen imaginären Freund und ihren imaginären Bekannten, der sich dann wie das fünfte Rad am Wagen fühlen kann?«
Autsch! »Lach nicht! Nachdem Jon und ich Schluss gemacht haben und er nach Rom gezogen ist, war ich dieses fünfte Rad«, erwiderte Rylann. All ihre guten Freunde in San Francisco waren Paare gewesen, und nach der Trennung hatte sie einfach nicht mehr dazugepasst. Das war einer der vielen Gründe für ihren Neuanfang in Chicago. »Zumindest bin ich in dieser Stadt nicht mehr das fünfte Rad am Wagen. Sondern ein Einrad.«
Rae lachte. »Einrad fahren ist gar nicht so einfach. Besonders Anfang dreißig.«
»Es ist ja nicht so, dass ich vor Jon keine Verabredungen gehabt hätte. Wie anders kann es schon sein?«
»Oh, diese erfrischende Naivität!« Rae seufzte melodramatisch. »Ich weiß noch, wie auch ich einst so hoffnungsvoll und unverdorben war.« Ihr
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