Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
ich ihm bereits gemacht. Aber egal, wo Sie ihn hinbringen, er wird dort trotzdem der Häftling sein, der einen Wärter verraten hat. Tut mir leid, aber wenn Sie Quinn drankriegen wollen, müssen Sie das ohne Watts tun.«
Rylann seufzte. Das war nicht die Antwort, auf die sie gehofft hatte, aber das war nicht Gregs Schuld. Sie hatte großen Respekt vor den Pflichtverteidigern – sie mussten sich um genauso viele Fälle kümmern wie die Staatsanwaltschaft und hatten doch eine der undankbarsten Aufgaben des ganzen Berufsstands. »Es war einen Versuch wert. Dann sehe ich Sie nächste Woche vor Gericht.«
Am nächsten Montag konnte Rylann in aller Frühe ihren ersten Blick auf einen anderen Mann werfen, auf den sie es abgesehen hatte: Gefängniswärter Adam Quinn, der »gemeine Mistkerl«, der Watts’ brutalen Angriff auf Brown in Auftrag gegeben und arrangiert haben sollte.
Quinn war am Abend zuvor vom FBI festgenommen worden, und dies war sein erster Auftritt vor Gericht. Als Rylann durch die Tür des Gerichtssaals trat, fielen ihr sofort zwei Dinge auf: erstens, dass Quinn jünger aussah als seine achtundzwanzig Jahre, und zweitens, dass er äußerst nervös zu sein schien.
Und das zu Recht.
Bevor sie sich an ihren Tisch setzte, stellte sie sich Quinns Verteidiger vor. »Rylann Pierce«, sagte sie und streckte ihm ihre Hand entgegen.
»Michael Channing. Nach der Anklageverlesung würde ich gerne einen Moment Ihrer Zeit beanspruchen, Ms Pierce«, verkündete er kurz angebunden.
»Natürlich. Ich kann Ihnen sogar zwei Momente geben«, erwiderte sie mit einem Lächeln. Sie begegnete in ihrem Beruf immer wieder Typen wie ihm – Anwälten, die durch Unhöflichkeit den starken Mann markieren wollten. Glücklicherweise ließ sie sich von dieser Strategie schon seit ihrem dritten Prozess nicht mehr aus der Ruhe bringen.
Sie kehrte an ihren Tisch zurück und stellte ihre Aktentasche daneben auf den Boden. Kurz darauf rief der Gerichtsdiener den Fall auf, und es ging los. Weil gegen den Beschuldigten bereits eine Anklageschrift eingereicht worden war, kombinierte der Richter die erste Anhörung mit der Anklageverlesung. Quinn plädierte erwartungsgemäß auf nicht schuldig.
Nach der Anhörung kam Michael Channing schnurstracks auf Rylanns Tisch zu. »Mord mit bedingtem Vorsatz? Mein Mandant hat den Mann nicht mal berührt.« Er sah grinsend auf sie herab. »Ich habe mich über Sie erkundigt. Sie sind neu hier.«
»Das Siebte Bundesgericht ist in dieser Sache eindeutig, Mr Channing. Jemand, der bei der Ausführung eines Mordes hilft, kann dieses Verbrechens ebenfalls für schuldig erklärt werden. Ich bin lange genug hier, um zumindest das zu wissen.«
»Ich weiß, was das Siebte Bundesgericht besagt«, erwiderte er mit einem finsteren Blick. »Aber diese ganze Sache ist nicht mehr als eine Prügelei zwischen zwei Häftlingen, die zu weit gegangen ist. Wenn Sie einen Beweis dafür haben, dass es etwas anderes war, immer her damit.«
Rylann wusste bereits jetzt, dass es eine Freude sein würde, den Prozess gegen ihn zu führen. »Aber gerne doch.« Sie öffnete ihre Tasche, zog die Akte mit sämtlichen Ermittlungsberichten von Agent Wilkins heraus und ließ sie in Channings Hände fallen. »Bitte schön. Ganz vorne befindet sich mein vorläufiger Prozessplan. Entlastende Beweise drei Wochen vor der Verhandlung, eine vollständige Zeugenliste zwei Wochen vorher.«
Er starrte überrascht auf die Akte. Offenbar hatte er nicht erwartet, die FBI-Berichte heute schon zu bekommen. »Ja, gut. Ich … werde mir das auf der Stelle ansehen.«
»Eines sollte ich noch erwähnen. Manuel Gutierrez wurde aus Sicherheitsgründen aus dem MCC nach Pekin verlegt.« Da sich der Häftling um seine Sicherheit gesorgt hatte, war Rylann dieses Vorgehen als sicherste Maßnahme erschienen.
Channing nickte. »Ich verstehe.«
Sein leerer Gesichtsausdruck ließ Rylann vermuten, dass er es in Wahrheit nicht verstand. Wahrscheinlich hatte Channing keine Ahnung, wer Manuel Gutierrez war. Und genau das war der Grund, warum sie die Verteidiger gerne direkt mit den FBI-Berichten konfrontierte. Es vermittelte von Anfang an die Botschaft, dass sie etwas nachzuholen hatten.
Es war nicht weiter überraschend, dass Channing während dieser Anhörung keine weiteren Forderungen stellte.
Doch leider hielt der süße Geschmack des Sieges nicht lange an.
»Ich komme bei den anderen Häftlingen nicht weiter«, sagte Agent Wilkins später an diesem
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