Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
mit der Wimper zu zucken.
Sie wurden unterbrochen, als der Gerichtsschreiber zurückkehrte, dem zwei Geschworene folgten. Sofort wurde die Situation wieder ernst. Die drei erblickten ihn im Zeugenstand, und einer der Geschworenen sowie der Gerichtsschreiber zuckten sichtlich überrascht zusammen. Rylann ignorierte ihre Blicke, kehrte an ihren Tisch zurück und studierte lässig ihren Notizblock, als ob sie jeden Tag berüchtigte milliardenschwere Hacker, die gerade aus dem Gefängnis entlassen worden waren, in den Zeugenstand rufen würde.
Während der nächsten zwei Minuten kamen nach und nach die anderen Geschworenen zurück. Kyle bemerkte erfreut, dass vier von ihnen ihn überhaupt nicht zu erkennen schienen. Und drei andere warfen ihm nicht mehr als einen kurzen neugierigen Blick zu, als ob sie ihn nicht ganz einordnen könnten. Der Rest schien von seiner Anwesenheit allerdings höchst fasziniert zu sein.
Als alle wieder auf ihren Plätzen saßen, nickte Rylann dem Jurysprecher zu. »Sie können den Zeugen jetzt vereidigen.«
»Heben Sie Ihre rechte Hand«, sagte er zu Kyle. »Schwören Sie feierlich, dass alles, was Sie hier aussagen werden, die Wahrheit ist, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit?«
»Ich schwöre es.«
Rylann stellte Augenkontakt zu ihm her. Dabei lag in ihren Mundwinkeln die Andeutung eines Lächelns, das nur er verstand.
Sie hatten die Maisfelder von Champaign-Urbana wirklich weit hinter sich gelassen.
»Bitte nennen Sie uns für das Protokoll Ihren Namen«, begann sie.
Und schon geht’s los.
»Kyle Rhodes.«
Kyle musste zugeben, dass er beeindruckt war.
Sie war gut.
Natürlich hatte er sich schon gedacht, dass Rylann vor Gericht eine ernst zu nehmende Größe war, da alles an ihr »knallharte Anwältin« zu schreien schien. Auch wenn sie sich nicht einmal vom Tisch wegbewegte, beherrschte sie doch den Raum mit ihren Fragen und entlockte ihm seine Aussage auf eine Art und Weise, die genau die richtigen Töne traf. Die ersten paar Minuten verbrachte sie mit Fragen zu seinem Hintergrund, konzentrierte sich auf seine Ausbildung und Arbeitserfahrung, was Kyle wiederum die Gelegenheit gab, sich an den Zeugenstand zu gewöhnen und sich den Geschworenen gegenüber gleichzeitig als jemand zu präsentieren, der nicht einfach nur der Twitter-Terrorist war. Sie sprach die Umstände seiner Verurteilung direkt an, verweilte aber nicht lange dabei, sondern redete dann eine ganze Weile lang mit ihm über das Leben im Gefängnis.
Es waren nicht unbedingt die vier Monate, auf die Kyle in seinem Leben besonders stolz war, und er war auch nicht gerne ein Experte für dieses Thema, aber er verstand die Rolle, die er an diesem Nachmittag zu spielen hatte.
Sie verlangsamte das Tempo, als sie zu der Nacht kamen, in der Kyle Quinns Drohung mit angehört hatte. Doch zuerst entlockte sie ihm ein paar Aussagen, um die idealen Voraussetzungen zu schaffen.
»Können Sie für die Geschworenen, die mit dem Begriff möglicherweise nicht vertraut sind, erklären, was Einzelhaft bedeutet?«, schlug sie vor.
»Es handelt sich um einen Zellenblock, in dem Häftlinge von den anderen abgesondert werden. Ein Häftling pro Zelle, und es gibt keine der üblichen Gefängnisprivilegien. Also keine Freizeit, und auch die Mahlzeiten werden in der Zelle eingenommen.«
»Ist es dort still?«
»Sehr, besonders da die Häftlinge dort nicht miteinander sprechen sollen. Wenn jemandem der Magen knurrt, hört man das noch drei Zellen weiter.«
Er sah ihr an, wie sehr ihr diese Antwort gefiel.
Dann spielten sie sich die Bälle zu, zogen die Aufmerksamkeit der Jury auf sich und holten sie ein. Beständig arbeiteten sie sich auf den Höhepunkt ihrer Geschichte zu – Quinns Drohung. Kyle konnte sehen, dass sich die Geschworenen vor Spannung kaum noch auf den Sitzen zu halten vermochten, während er die Worte wiederholte, die Quinn in jener schicksalhaften Nacht zu Brown gesagt hatte. Die Aufregung im Raum war praktisch greifbar, während Rylann zweimal auf die Drohung zurückkam, um diesen Teil ihrer Vernehmung besonders herauszustellen, und dann plötzlich …
War es vorbei.
Sie machte eine kurze Pause und ließ Quinns Drohung dramatisch in der Luft des Gerichtsraums hängen. Dann nickte sie nüchtern.
»Vielen Dank, Mr Rhodes. Ich habe keine weiteren Fragen.« Sie wandte sich an die Geschworenen hinter ihr. »Hat die Grand Jury noch Fragen an diesen Zeugen?« Nach einem Augenblick der Stille lächelte sie Kyle
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