Wiedersehen mit Mrs. Oliver
habe. Der Alte bedeutete dem Fremden, dass er zum Haupttor gehen und Eintritt bezahlen müsse, aber der Herr schien nichts vom Gartenfest zu wissen und sagte, er wäre ein Verwandter der Familie. Daraufhin zeigte der Alte ihm den Weg von der Fähre zum Haus. Merdell scheint sich den ganzen Nachmittag über am Fluss aufgehalten zu haben, und er hätte Lady Stubbs bestimmt bemerkt, wenn sie in die Nähe der Fähre gekommen wäre. Dann ist da noch ein Gitter, von dem aus ein Feldweg nach Hoodown Park führt, aber das ist mit Stacheldraht umwunden, um Unbefugte am Betreten des Gutes zu hindern. Auf diesem Weg kann sie das Grundstück also auch nicht verlassen haben. Demnach muss man fast annehmen, dass sie noch hier ist, nicht wahr?«
»Mag sein; andererseits kann sie niemand daran hindern, unter einem Gitter hindurchzukriechen und über die Felder zu gehen«, erwiderte der Kommissar. »Wie ich höre, beschwert sich Sir George dauernd, dass Besucher der Jugendherberge in Hoodown Park ohne seine Erlaubnis auf das Grundstück kommen – wenn man unbefugterweise hereinkommen kann, muss es auch möglich sein, auf dem gleichen Weg hinauszugelangen.«
»Zweifellos, Kommissar. Aber ich habe mit ihrem Mädchen gesprochen« – Cottrell nahm einen Zettel aus der Tasche und las vor – »Lady Stubbs trägt ein violettes Crepe-Georgette-Kleid, einen großen, schwarzen Hut und schwarze Pumps mit hohen Absätzen – dieser Aufzug ist doch wohl nicht sehr geeignet, um darin unter Gittern hindurchzukriechen und über die Felder zu wandern.«
»Hat sie sich bestimmt nicht umgezogen?«
»Nein, danach habe ich mich bei ihrem Mädchen auch erkundigt. Es fehlt nichts – gar nichts. Sie hat auch keinen Koffer gepackt; sie hat nicht einmal andere Schuhe angezogen. Alle ihre Schuhe stehen im Schrank.«
Kommissar Bland runzelte die Stirn. Er begann sich alle möglichen unangenehmen Dinge auszumalen.
»Schicken Sie mir diese Sekretärin noch einmal herein«, befahl er. »Wie hieß sie doch gleich? – Miss Brewis.«
Miss Brewis sah weniger ordentlich aus als gewöhnlich und war etwas außer Atem, als sie das Zimmer betrat.
»Sie wollten mich sprechen, Kommissar?«, fragte sie. »Wenn es nicht sehr dringend ist – Sir George ist nämlich in einem furchtbaren Zustand und –„
»Weshalb?«
»Es ist ihm jetzt klar geworden, dass Lady Stubbs wirklich verschwunden ist. Ich äußerte die Vermutung, dass sie wahrscheinlich nur auf einen Spaziergang in den Wald gegangen sei, aber er lässt sich nicht beruhigen; er hat sich in den Kopf gesetzt, dass ihr etwas zugestoßen sein müsse. Lächerliche Idee!«
»Vielleicht nicht so lächerlich, wie Sie glauben, Miss Brewis. Schließlich ist heute Nachmittag hier ein – ein Mord geschehen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Lady Stubbs –? Aber das ist vollkommen unsinnig! Lady Stubbs weiß sich doch zu schützen.«
»Glauben Sie?«
»Natürlich. Schließlich ist sie eine erwachsene Frau!«
»Aber recht hilflos, wie ich von allen Seiten höre.«
»Keine Spur«, erwiderte Miss Brewis. »Hin und wieder passt es Lady Stubbs in den Kram, das hilflose Kind zu spielen – wenn sie sich vor etwas drücken will. Ihrem Mann kann sie vielleicht etwas vorspielen – mir nicht!«
»Sie können sie nicht sehr gut leiden, nicht wahr?«, fragte Bland mit scheinbarem Interesse.
Miss Brewis’ Mund wurde zu einer dünnen, scharfen Linie. »Es kommt mir nicht zu, Sympathien oder Antipathien zu haben«, stellte sie bitter fest.
Die Tür wurde aufgerissen, und Sir George stürzte aufgeregt ins Zimmer.
»Wo ist Hattie?«, fragte er atemlos. »Sie müssen unbedingt etwas unternehmen – Sie müssen sie finden! Was geht hier vor, zum Teufel? Dieses verfluchte Fest! Ein irrsinniger Verbrecher muss seine zwei Shilling Eintritt gezahlt und sich unauffällig unter die Menge gemischt haben; wahrscheinlich sieht er ganz harmlos aus – während er den Nachmittag damit verbringt, Leute zu ermorden.«
»Ich glaube, Sie übertreiben etwas, Sir George.«
»Sie haben gut reden – Sie sitzen ruhig am Schreibtisch und machen sich Notizen. Ich will meine Frau finden!«
»Ich lasse soeben das Grundstück nach ihr absuchen.«
»Warum hat mir niemand mitgeteilt, dass sie verschwunden ist? Scheinbar wird sie schon seit zwei Stunden vermisst. Ich fand es sonderbar, dass sie beim Kostümwettbewerb der Kinder nicht erschien, aber niemand hat mir gesagt, dass sie nirgends zu finden ist.«
»Weil es niemand wusste«, erklärte
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