Wiedersehen mit Mrs. Oliver
der Kommissar.
»Jemand hätte es aber wissen sollen! Irgendjemand hätte doch ihr Verschwinden bemerken müssen.«
Er wandte sich jäh an Miss Brewis.
»Sie hätten Bescheid wissen müssen, Amanda; Sie hatten die Aufsicht übernommen!«
»Ich kann nicht überall gleichzeitig sein«, antwortete Miss Brewis; sie schien den Tränen nahe. »Ich muss mich umso viele Dinge kümmern. Wenn Lady Stubbs sich entfernen wollte –„
»Sich entfernen? Warum sollte sie sich entfernen wollen? Oder wollte sie vielleicht diesen ausländischen Burschen nicht sehen?« Bland ergriff diese Gelegenheit.
»Ich möchte Sie etwas fragen, Sir George. Hat Ihre Gattin vor drei Wochen einen Brief von Mr de Sousa bekommen, in dem er seinen Besuch ankündigte?«
Sir George sah erstaunt aus.
»Nein, natürlich nicht.«
»Sind Sie ganz sicher?«
»Ganz sicher. Das hätte sie mir bestimmt erzählt. Nachdem sie heute Morgen seinen Brief erhalten hatte, war sie überrascht und bestürzt. Der Schock war so stark, dass sie Kopfschmerzen bekam und fast den ganzen Morgen liegen musste.«
»Was hat sie Ihnen persönlich in Bezug auf den Besuch ihres Vetters gesagt? Warum graute ihr so davor, ihn wiederzusehen?«
Sir George machte einen ziemlich verwirrten Eindruck.
»Wenn ich das nur wüsste«, meinte er. »Sie wiederholte nur immer wieder, dass er ein schlechter Mensch sei.«
»Schlecht? Inwiefern?«
»Sie hat sich nicht sehr klar ausgedrückt, sondern immer nur wie ein Kind gesagt: ›Er ist böse, ein schlechter Mensch. Ich wünschte, er würde nicht herkommen. Er hat böse Sachen gemacht.‹«
»Böse Sachen? Wann?«
»Vor vielen Jahren, nehme ich an. Wahrscheinlich ist dieser Etienne de Sousa das schwarze Schaf der Familie, und Hattie hat als Kind von seinen Untaten gehört, ohne zu verstehen, um was es sich wirklich handelte. Das Resultat ist, dass sie sich vor ihm fürchtet. Ich selbst maß der Sache keine große Bedeutung bei. Meine Frau ist manchmal ein bisschen kindisch. Sie fasst Zuneigungen und Abneigungen, die sie nicht erklären kann.«
»Sind Sie sicher, dass sie weiter nichts gesagt hat, Sir George?«
Sir George zögerte.
»Ich möchte, wie gesagt, ihren Worten keine – keine allzu große Bedeutung beimessen.«
»Sie hat also doch noch etwas geäußert?«
»Also gut … sie sagte – und zwar mehrmals –, ›er bringt Leute um‹.«
»Er bringt Leute um«, wiederholte Kommissar Bland.
»Ich glaube, Sie sollten diese Bemerkung wirklich nicht zu ernst nehmen«, meinte Sir George. »Sie hat zwar immer wieder gesagt: ›Er bringt Leute um‹, aber sie konnte mir nicht angeben, wen er umgebracht hätte und aus welchem Grund. Ich selbst hielt das Ganze für verworrene Kindheitserinnerungen – vielleicht waren sie mit einem Aufstand der Eingeborenen oder etwas dergleichen verknüpft.«
»Sie sagen, dass sie Ihnen nichts Bestimmtes mitteilen konnte. Konnte sie nicht oder wollte sie nicht?«
»Ich glaube nicht – ich weiß wirklich nicht – « Er unterbrach sich. »Sie verwirren mich! Ich habe den Vorfall, wie gesagt, nicht ernst genommen. Vielleicht hat dieser Vetter sie als Kind manchmal geneckt – ich kann Ihnen diese Dinge kaum erklären, weil Sie meine Frau nicht kennen. Ich liebe sie von Herzen, aber ich höre nicht immer genau zu, wenn sie was sagt, weil es meistens keinen Sinn und Verstand hat. Auf keinen Fall kann dieser de Sousa etwas mit der Angelegenheit zu tun haben – Sie wollen doch wohl nicht behaupten, dass er hier landet, durch den Wald geht und als Erstes eine unbedeutende kleine Pfadfinderin in einem Bootshaus tötet. Warum sollte er?«
»Ich habe nicht behauptet, dass es so gewesen ist«, erklärte Kommissar Bland, »aber Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass wir es bei unserer Suche nach dem Mörder von Marlene Tucker mit einem beschränkteren Kreis zu tun haben, als wir zuerst angenommen hatten.«
»Beschränkt!« Sir George starrte Bland verständnislos an. »Sie haben Ihren Mörder unter zwei- bis dreihundert Personen zu suchen – sämtliche Besucher dieses verdammten Gartenfestes. Jeder von ihnen könnte es gewesen sein!«
»Ja, das dachte ich zuerst auch, aber ich habe meine Meinung geändert, seitdem ich weiß, dass das Bootshaus ein Zylinderschloss hat. Niemand könnte von außen ohne einen Schlüssel hineinkommen.«
»Wir hatten aber drei Schlüssel.«
»Sehr richtig. Ein Schlüssel war der letzte Anhaltspunkt in dieser Mörderjagd. Er liegt noch immer unter den
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