Wiedersehen mit Mrs. Oliver
nicht sehr wahrscheinlich«, meinte der Kommissar. »Es ist nur eine Möglichkeit. Und wenn sie auf der ›Espérance‹ sein sollte, werde ich dafür sorgen, dass sie sie nicht unbemerkt verlässt.«
»Aber wenn sie ihn nicht ausstehen kann …«, meinte Hoskins nachdenklich.
»Wir wissen nur, dass sie das behauptet hat, und Frauen neigen leider oft zum Lügen«, meinte der Kommissar salbungsvoll. »Merken Sie sich das, Hoskins!«
»Jawohl, Kommissar.«
Die Unterhaltung wurde durch das Erscheinen eines großen, erstaunt aussehenden jungen Mannes unterbrochen. Er trug einen gutgeschnittenen grauen Flanellanzug, aber seine Krawatte saß schief, und sein Haar war wirr.
Der Kommissar blickte auf.
»Mr Alec Legge?« fragte er.
»Nein, ich bin Michael Weyman«, erwiderte der junge Mann. »Mir wurde gesagt, dass Sie mich sprechen möchten.«
»Stimmt. Wollen Sie nicht Platz nehmen, Mr Weyman?« Der Kommissar wies auf einen Stuhl auf der gegenüberliegenden Seite des Schreibtischs.
»Nein danke, ich möchte lieber auf und ab gehen«, entgegnete Michael Weyman. »Was hat die Polizei hier eigentlich zu suchen? Was ist geschehen?«
Kommissar Bland sah ihn überrascht an.
»Hat Ihnen das Sir George nicht gesagt?«
»Mir hat niemand etwas gesagt, außerdem bin ich nicht ununterbrochen in Sir Georges Nähe. Also, was ist los?«
»Wie ich höre, wohnen Sie hier im Haus, Mr Weyman?«
»So ist es. Was hat das damit zu tun?«
»Ich dachte, dass alle Bewohner des Hauses von der Tragödie, die sich heute Nachmittag abgespielt hat, inzwischen erfahren hätten.«
»Eine Tragödie? Was für eine Tragödie?«
»Das Mädchen, das die Rolle des Opfers gespielt hat, ist ermordet worden.«
»Nein! Sie ist wirklich ermordet worden?« Michael Weyman schien übertrieben erstaunt zu sein. »Kein Hokuspokus?«
»Ich weiß nicht, was Sie unter Hokuspokus verstehen. Das Mädchen ist tot.«
»Auf welche Weise wurde sie getötet?«
»Sie wurde mit einem Strick erwürgt.«
Michael Weyman pfiff leise vor sich hin.
»Genau wie im Drehbuch! Das gibt einem zu denken.« Er ging mit großen Schritten zum Fenster, drehte sich plötzlich um und sagte: »Wir stehen also alle unter Verdacht? Oder war es jemand aus dem Dorf?«
»Wir halten es für kaum möglich, dass einer der Dorfbewohner es getan haben könnte«, erwiderte der Kommissar.
»Ich eigentlich auch nicht«, meinte Michael Weyman. »Viele meiner Freunde halten mich für verrückt, Kommissar, aber so verrückt bin ich denn doch nicht. Ich wandere nicht durch die Wälder, um unterentwickelte junge Mädchen mit schlechtem Teint zu erwürgen.«
»Wie ich höre, sind Sie hier, um einen Tennispavillon für Sir George zu entwerfen, Mr Weyman?«
»Genau, und das dürfte wohl eine einwandfreie Beschäftigung sein – jedenfalls vom kriminalistischen Standpunkt aus«, stellte Michael fest. »Vom Standpunkt des Architekten mag die Sache anders aussehen. Der Pavillon wird wahrscheinlich ein Verbrechen am guten Geschmack darstellen, aber das wird Sie nicht interessieren, Kommissar. Wofür interessieren Sie sich?«
»Ich möchte genau wissen, wo Sie heute Nachmittag zwischen vier Uhr fünfzehn und fünf Uhr waren, Mr Weyman.«
»Woher wissen Sie, dass es um diese Zeit geschah? Aufgrund des medizinischen Befunds?«
»Nicht nur. Eine Zeugin hat das Mädchen um vier Uhr fünfzehn lebend angetroffen.«
»Welche Zeugin? Oder darf ich das nicht fragen?«
»Miss Brewis. Lady Stubbs hatte sie gebeten, dem Mädchen Kuchen und Limonade zu bringen.«
»Unsere Hattie hatte sie darum gebeten? Das glaube ich auf keinen Fall.«
»Warum nicht, Mr Weyman?«
»Weil ich es ihr nicht zutraue. An so etwas würde sie nicht im Traume denken. Die verehrte Lady Stubbs ist ausschließlich mit sich selbst beschäftigt.«
»Ich warte noch immer darauf, dass Sie meine Frage beantworten, Mr Weyman.«
»Sie wollen wissen, wo ich zwischen vier Uhr fünfzehn und fünf Uhr gewesen bin, Kommissar? Leider kann ich Ihnen das nicht so genau sagen – ich bin einfach durch die Gegend geschlendert …«
»Wo ungefähr waren Sie?«
»Hier und dort. Zuerst auf der Wiese, bei den Buden, um die Dorfbewohner beim Volksfest zu beobachten. Dann wechselte ich einige Worte mit der aufgeregten kleinen Filmschauspielerin, und schließlich, nachdem mir das alles zu dumm geworden war, ging ich zum Tennisplatz und dachte über den Entwurf für den Pavillon nach. Außerdem wollte ich wissen, ob jemand das Tennisnetz auf der
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