Wiedersehen mit Mrs. Oliver
Fotografie identifizieren würde, das der erste Anhaltspunkt für die Mörderjagd war.«
»Hat es jemand identifiziert?«
»Ja, ich glaube, es ist jemand gekommen, aber ich habe gerade da nicht mehr richtig aufgepasst, weil ich eine neue Idee für den Pavillon hatte – es war ein Kompromiss zwischen meinem Geschmack und den Wünschen von Sir George.«
»Und danach?«
»Danach? Danach schlenderte ich langsam zum Haus zurück. Dann ging ich zum Kai hinunter, wechselte ein paar Worte mit dem alten Merdell und kehrte wieder zum Haus zurück. Auf einen genauen Zeitpunkt kann ich mich leider nicht festlegen – wie schon gesagt, ich bin einfach so durch die Gegend geschlendert. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Ich nehme an, dass sich Ihre Aussagen bestätigen lassen, Mr Weyman«, bemerkte Kommissar Bland.
»Merdell wird Ihnen bestätigen, dass ich am Kai mit ihm gesprochen habe; das war allerdings etwas später als zu dem Zeitpunkt, an dem Sie interessiert sind – es muss schon nach fünf gewesen sein. Nicht sehr zufrieden stellend, fürchte ich.«
»Ich nehme an, es wird uns gelingen, Genaueres festzustellen, Mr Weyman.«
Der Kommissar war zwar höflich, aber sein eiskalter Ton entging dem jungen Architekten nicht. Er setzte sich auf eine Sessellehne und sagte: »Ganz ernsthaft – wer hätte das Mädchen ermorden wollen?«
»Wie denken Sie selbst darüber, Mr Weyman?«
»Zunächst einmal kommt mir unsere Autorin mit der blühenden Phantasie in den Sinn, unsere ›Rote Gefahr‹. Haben Sie ihr wahrhaft königliches, purpurrotes Gewand gesehen? Vielleicht hat sie zeitweilig den Verstand verloren und geglaubt, ihre Mörderjagd würde nur dann ein Erfolg werden, wenn ein echter Mord stattfände. Was halten Sie davon?«
»Meinen Sie das wirklich, Mr Weyman?«
»Eine andere Möglichkeit fällt mir nicht ein.«
»Ich möchte Ihnen noch eine Frage stellen, Mr Weyman: Haben Sie Lady Stubbs im Laufe des Nachmittags gesehen?«
»Selbstverständlich – man konnte sie kaum übersehen. Sie hatte sich wie ein Mannequin von Jacques Fath oder Christian Dior hergerichtet.«
»Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
»Zuletzt? Das weiß ich nicht mehr so genau – vielleicht um halb vier – in malerischer Stellung auf dem Rasen, es mag aber auch Viertel vor vier gewesen sein.«
»Danach haben Sie sie nicht mehr gesehen?«
»Nein. Warum?«
»Weil anscheinend niemand Lady Stubbs nach vier Uhr gesehen hat. Sie ist verschwunden, Mr Weyman.«
»Verschwunden? Unsere Hattie?«
»Überrascht Sie das?«
»Ja, ziemlich … was mag sie wohl im Schilde führen?«
»Kennen Sie Lady Stubbs gut, Mr Weyman?«
»Als ich vor fünf Tagen hier ankam, habe ich sie zum ersten Mal gesehen.«
»Haben Sie sich eine Meinung über sie gebildet?«
»Meiner Ansicht nach weiß sie ihren eigenen Vorteil besser wahrzunehmen als manche andere«, stellte Michael Weyman trocken fest. »Eine sehr dekorative junge Frau, die es versteht, sich zur Geltung zu bringen.«
»Aber geistig nicht sehr rege, nicht wahr?«
»Es kommt darauf an, was Sie mit ›geistig‹ meinen. Ich würde sie nicht als intellektuell bezeichnen, aber wenn Sie glauben, dass sie ihre fünf Sinne nicht beisammen hat, irren Sie sich sehr.« Sein Ton wurde plötzlich bitter. »Meiner Ansicht nach weiß sie genau, was sie tut – ganz genau.«
Der Kommissar hob die Augenbrauen.
»Im Allgemeinen denkt man anders über Lady Stubbs.«
»Aus irgendeinem Grund macht es ihr Spaß, sich dumm zu stellen. Warum, weiß ich nicht. Aber, wie ich schon sagte, meiner Ansicht nach weiß sie ganz genau, was sie tut.«
Der Kommissar betrachtete ihn einen Augenblick nachdenklich, dann fragte er: »Und Sie können mir wirklich keine genaueren Zeit und Ortsangaben machen, Mr Weyman?«
»Tut mir Leid. Leider ganz unmöglich.« Weyman sprach abgehackt und nervös. »Ich wünschte, ich könnte – entsetzlich schlechtes Gedächtnis – kann mich niemals an genaue Zeiten erinnern. Darf ich jetzt gehen?«
Der Kommissar nickte, und Michael Weyman ging schnell aus dem Zimmer.
»Ich würde zu gern wissen, was zwischen ihm und Lady Stubbs vorgefallen ist«, murmelte Kommissar Bland vor sich hin. »Entweder hat er ihr nachgestellt, und sie hat ihn abgewiesen, oder sie haben sich gestritten … Was hält man in der Nachbarschaft von Sir George und seiner Frau, Hoskins?«
»Man hält Lady Stubbs für verrückt«, erwiderte Hoskins prompt.
»Ich weiß, dass das Ihre Ansicht ist, Hoskins. Ist man
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