Wiedersehen mit Mrs. Oliver
von dort zum Bootshaus.
Dieses Mal betrat er das Folly nicht, sondern ging den Zickzackweg hinunter, bis er zum Bootshaus kam. Er hatte den Schlüssel bei sich, öffnete die Tür und ging hinein.
Es war genauso, wie er es in Erinnerung hatte, nur dass die Leiche und das Tablett mit dem Geschirr fortgeschafft worden waren. Die Polizei hatte das Innere des Bootshauses fotografiert und eine genaue Aufstellung des Inventars gemacht. Er ging zum Tisch, auf dem der Stoß von illustrierten Zeitschriften und Witzblättern lag. Er sah sie durch, und sein Ausdruck war dem von Kommissar Bland nicht unähnlich, als auch er entdeckte, was Marlene an den Rand gekritzelt hatte, bevor sie ums Leben gekommen war: »Jackie Blake geht mit Susan Brown.« – »Peter kneift Mädchen im Kino.« – »Georgie Porgie küsst Mädchen im Wald.« – »Biddy Fox liebt Jungens.« – »Albert geht mit Doreen.«
Er erinnerte sich an Marlenes reizloses Gesicht, an ihre unreine Haut, und er fand die unreifen Bemerkungen des jungen Mädchens doppelt mitleiderregend. Er hatte den Verdacht, dass Marlene niemals im Kino von einem Jungen gekniffen worden war und dass ihre Abenteuer nur darin bestanden hatten, andere zu beobachten und ihnen nachzuspionieren. Ja, sie hatte ihnen nachspioniert, und sie hatte Dinge gesehen, die sie nicht sehen sollte. Meistens handelte es sich wohl um unwichtige Vorfälle, aber sie mochte zufällig einmal etwas mit angesehen haben, von dessen Wichtigkeit sie selbst keine Ahnung gehabt hatte.
Aber das waren nur Vermutungen, und Poirot zuckte zweifelnd die Achseln. Sein fanatischer Ordnungssinn trieb ihn dazu, die Zeitungen wieder zu einem säuberlichen Stoß aufeinander zu legen; dabei kam ihm plötzlich der Gedanke, dass irgendetwas fehlte.
Irgendetwas … was war es? Etwas, das hier sein sollte … etwas … er schüttelte den Kopf, als das flüchtige Bild wieder verblasste.
Er verließ das Bootshaus mit zögernden Schritten, unglücklich und unzufrieden mit sich selbst. Er, Hercule Poirot, war hierhergerufen worden, um einen Mord zu verhindern – und es war ihm nicht gelungen. Der Mord war geschehen, und die größte Demütigung war, dass er keine wirkliche Vorstellung davon hatte, was eigentlich geschehen war. Es war eine Schande, und morgen musste er geschlagen nach London zurückkehren. Sein Selbstbewusstsein hatte einen harten Schlag erlitten, selbst seine Schnurrbartspitzen hingen traurig nach unten.
16
Z wei Wochen später hatte Kommissar Bland eine höchst unbefriedigende Unterhaltung mit dem Polizeichef.
Major Merrall hatte widerspenstige, buschige Augenbrauen und besaß eine gewisse Ähnlichkeit mit einem wütenden Terrier. Aber er war bei seinen Untergebenen beliebt, und man gab viel auf sein Urteil.
»So, so, und welche Beweise haben wir in Händen?«, fragte Major Merrall. »Gar keine! Dieser de Sousa? Wir können ihn in keiner Weise mit der ermordeten Pfadfinderin in Verbindung bringen. Alles wäre natürlich ganz anders, wenn wir die Leiche von Lady Stubbs gefunden hätten.« Er blickte Bland herausfordernd an. »Sie glauben, dass Lady Stubbs tot ist, nicht wahr?«
»Was glauben Sie, Sir?«
»Ich bin ganz Ihrer Meinung; wenn sie noch am Leben wäre, hätten wir längst eine Spur gefunden. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass sie ihre Flucht mit größter Sorgfalt vorbereitet hatte, aber ich halte das nicht für wahrscheinlich. Wie wir wissen, besaß sie kein eigenes Geld; obwohl Sir George sie mit einem reichlichen Taschengeld versah, verfügte sie niemals über größere Summen. Einen Geliebten scheint sie auch nicht gehabt zu haben, sonst würde sich das hier auf dem Land bestimmt herumgesprochen haben.«
Er begann auf und ab zu gehen.
»Wir müssen zugeben, dass wir nichts herausgefunden haben. Wir glauben, dass de Sousa sich aus unbekannten Gründen mit seiner Kusine aus dem Staub gemacht hat. Noch wahrscheinlicher ist, dass er sich unten am Bootshaus mit ihr verabredete, dass sie in sein Motorboot stieg und dass er sie über Bord stieß. Sie haben festgestellt, dass das möglich gewesen wäre?«
»Allerdings! Man könnte während der Ferienzeit eine ganze Bootsladung von Leuten ertränken, ohne dass es einem einzigen Menschen, der mit dem Dampfer vorüberfährt, auffallen würde. Alle sind damit beschäftigt zu scherzen, zu plaudern und die Sehenswürdigkeiten zu betrachten. Aber de Sousa wusste natürlich nicht, dass im Bootshaus ein Mädchen war, das nichts zu tun hatte, sich
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