Wiedersehen mit Mrs. Oliver
später in den Fluss geworfen haben, wer weiß … Falls sie es wirklich getan haben sollte«, fügte Bland nach einigem Zögern hinzu, »denn im Grunde genommen glaube ich doch, dass es de Sousa war.«
Major Merrall hatte sich einige Notizen gemacht. Jetzt blickte er auf und räusperte sich.
»Die Lage lässt sich also folgendermaßen zusammenfassen: Wir kennen fünf oder sechs Leute, die Marlene Tucker ermordet haben könnten. Auf den einen mögen wir einen stärkeren Verdacht haben als auf den anderen – mehr können wir nicht sagen. Wir glauben zu wissen, warum sie ermordet wurde – nämlich weil sie etwas gesehen hat. Aber bis wir genau wissen, was sie sah, wissen wir nicht, wer sie ermordet hat.«
»Wie Sie es darstellen, klingt das Ganze sehr kompliziert, Sir.«
»Es ist sehr kompliziert, aber wir werden der Sache auf den Grund kommen.«
»Und in der Zwischenzeit wird dieser Bursche England verlassen haben und sich ins Fäustchen lachen, weil es ihm gelungen ist, ungestraft zwei Menschen zu ermorden.«
»Sie scheinen Ihrer Sache ziemlich sicher zu sein. Ich will nicht behaupten, dass Sie Unrecht haben, aber trotzdem …«
Major Merrall schwieg einen Augenblick, dann zuckte er die Achseln und sagte: »Immer noch besser, als wenn der Mörder ein Psychopath gewesen wäre, denn dann würden wir es wahrscheinlich bald mit einem dritten Mord zu tun haben.«
»Aller guten Dinge sind drei«, bemerkte Bland düster.
Diese Bemerkung wiederholte er am nächsten Morgen, als er hörte, dass der alte Merdell auf dem Rückweg von seiner Stammkneipe in Gitcham auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses, wohl nachdem er etwas mehr als gewöhnlich getrunken hatte, ins Wasser gefallen und ertrunken sei. Scheinbar hatte er versucht, von seinem Boot auf den Anlegesteg zu klettern, und war ausgerutscht. Man hatte seinen Leichnam sowie das auf dem Fluss treibende Boot noch am selben Abend gefunden.
Die gerichtliche Untersuchung war kurz und unkompliziert. Es war ein dunkler, bewölkter Abend gewesen; der alte Merdell hatte drei Maß Bier getrunken, und er war schließlich und endlich zweiundneunzig Jahre alt. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass sein Tod einem Unfall zuzuschreiben sei.
17
H ercule Poirot saß auf einem quadratischen Sessel vor dem quadratischen Kamin in einem quadratischen Zimmer seiner Londoner Wohnung. Vor ihm lagen verschiedene Gegenstände, die durchaus nicht quadratisch waren, sondern unregelmäßige, fast unmögliche Kurven hatten. Wenn man jeden dieser Gegenstände einzeln betrachtete, glaubte man, dass er zu nichts nutze sei und keine Funktionen zu erfüllen habe; es schienen sonderbare, wild durcheinandergewürfelte Teile eines undefinierbaren Ganzen zu sein. Jedoch konnte man hier wieder einmal feststellen, dass der Schein trügt.
In der richtigen Ordnung hatte jedes der merkwürdig geformten Gebilde seinen besonderen Platz im Universum, und das Ganze ergab nicht nur einen Sinn, sondern auch ein Bild. Kurz gesagt: Hercule Poirot beschäftigte sich mit einem Puzzlespiel.
Er blickte auf eine Stelle innerhalb des Rechtecks, die noch eine grotesk geformte Lücke aufwies. Er fand diesen Zeitvertreib angenehm und beruhigend, weil er damit aus dem Chaos Ordnung schuf und weil dieses Spiel seinem Beruf in gewisser Weise nicht unähnlich war. Auch in seinem Beruf stand er verschiedenen unwahrscheinlichen und scheinbar zusammenhanglosen Tatsachen gegenüber, und doch spielte jede Einzelheit eine wichtige Rolle und fand schließlich ihren Platz im Gesamtbild.
Er wählte mit sicherem Griff ein dunkelgraues Teilchen und setzte es in den blauen Himmel; er hatte soeben herausgefunden, dass es der Teil eines Flugzeuges war.
»Ja, so muss man es machen«, murmelte Poirot. »Ein verschnörkeltes Stück hier, ein unregelmäßiges Stück dort, und am Ende ergibt sich daraus ein einfaches Bild, das aber in Wirklichkeit gar nicht so einfach ist. Eh bien, alles hat seinen Platz, alles hat seine Ordnung!«
Er setzte mit flinken Fingern ein kleines Teilchen eines Minaretts ein, dann ein Stück, das wie ein gestreiftes Zeltdach aussah, aber in Wirklichkeit der Rücken einer Katze war, und schließlich fand er noch den richtigen Platz für ein Eckchen rotgoldenen Sonnenuntergang.
Wenn man wüsste, nach was man suchen muss, wäre alles so einfach, dachte Hercule Poirot, aber leider weiß man das eben nicht, und man sucht an den falschen Orten nach den falschen Dingen. Er seufzte ärgerlich. Sein Blick
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