Wiedersehen mit Mrs. Oliver
waldige Ufer gerichtet. Sie fuhren um eine Biegung des Flusses und kamen an einem isoliert stehenden, grauen Bootshaus vorbei, das zur Jugendherberge gehörte. Kommissar Bland sah wiederholt auf die Uhr. Es war genau vier Uhr fünfzehn, als sie dicht an dem zu Nasse House gehörenden Bootshaus vorbeifuhren. Es war halb von Bäumen verborgen, jedoch konnte man den kleinen Balkon und den Anlegesteg deutlich erkennen. Nichts deutete darauf hin, dass sich jemand im Haus befand, obgleich Kommissar Bland ganz genau wusste, dass Constable Hoskins dort war, weil er ihm den Befehl gegeben hatte, sich im Bootshaus aufzuhalten.
Nicht weit von den Bootshausstufen entfernt lag ein kleines Boot, in dem sich ein junger Mann und ein Mädchen befanden, die sich die Zeit mit ziemlich rauen Scherzen zu vertreiben schienen. Das Mädchen schrie, der Mann gab vor, sie ins Wasser werfen zu wollen. In diesem Augenblick dröhnte eine laute Stimme über den Lautsprecher:
»Meine Damen und Herren! Wir nähern uns jetzt dem wohlbekannten Dorf Gitcham, wo wir eine drei viertel Stunde Aufenthalt haben. Sie können hier frische Hummern und Krabben zum Tee bekommen sowie die berühmte Devonshire-Schlagsahne. Zu Ihrer Rechten sehen Sie die Besitzung Nasse; wir werden das Haus selbst in zwei bis drei Minuten passieren, und Sie werden es hinter den Bäumen erkennen können. Ursprünglich war es das Heim von Sir Gervase Folliat, einem Zeitgenossen von Sir Francis Drake, mit dem er die große Seereise in die Neue Welt unternahm. Der jetzige Eigentümer ist Sir George Stubbs. Zur Linken befindet sich der berühmte Gooseacre-Felsen, auf dem man in früheren Zeiten während der Ebbe zänkische Ehefrauen aussetzte und sie dort ließ, bis die Fluten ihnen bis zum Kinn gestiegen waren.«
Alle Passagiere der »Devon Belle« starrten fasziniert auf den Gooseacre-Felsen. Es wurden Witze gemacht, und man hörte von allen Seiten Gelächter.
Inzwischen hatte der junge Mann im Boot seine Freundin tatsächlich über Bord gestoßen. Er beugte sich über sie, hielt sie im Wasser fest und sagte lachend: »Nein, ich ziehe dich nicht heraus, bis du versprochen hast, dich zu benehmen.«
Mit Ausnahme von Kommissar Bland bemerkte jedoch niemand diesen Zwischenfall. Jedermann hatte der Stimme aus dem Lautsprecher gelauscht, versucht, durch die Bäume hindurch einen Blick auf Nasse House zu erhaschen, und sich den Gooseacre-Felsen mit großem Interesse angesehen.
Der Jüngling ließ sein Mädchen los; es verschwand einen Augenblick unter Wasser, um dann auf der anderen Seite des Bootes wieder aufzutauchen. Sie schwamm dicht an das Boot heran und kletterte mühelos an Bord. Die Polizistin Alice Jones war eine ausgezeichnete Schwimmerin.
Kommissar Bland ging mit den restlichen zweihundertdreißig Passagieren in Gitcham an Land, trank Tee und aß dazu einen Hummer und dann ein Stück Sahnetorte. Dabei murmelte er vor sich hin: »Man konnte es also tun, ohne dass es jemand bemerken würde.«
Während Kommissar Bland seine Experimente auf der Helm machte, untersuchte Hercule Poirot ein Zelt auf der Wiese von Nasse House. Es war das Zelt, in dem Madame Suleika die Zukunft vorausgesagt hatte und das man auf Poirots besonderen Wunsch stehen ließ, während die anderen Zelte und Buden bereits abgebaut worden waren.
Jetzt betrat er das Innere des Zeltes, machte die Klappen hinter sich zu und widmete sich der Rückwand. Er öffnete die hinteren Klappen geschickt, schlüpfte ins Freie, verschnürte die Klappen wieder und verschwand hinter der Rhododendronhecke, die gleich beim Zelt begann. Er wanderte der Hecke entlang und erreichte bald eine kleine Gartenlaube mit einer verschlossenen Tür. Poirot öffnete die Tür und ging hinein.
Im Innern der Laube war es ziemlich dunkel, weil sie von dichten Rhododendronsträuchern umgeben war, die nur wenig Tageslicht hereinließen. Er fand eine Kiste mit Krocketbällen und ein paar verrostete Krocketbügel sowie einige zerbrochene Hockeystöcke, eine Menge Ohrwürmer und Spinnen und eine runde, unregelmäßige Spur auf dem staubigen Boden. Poirot betrachtete diese Spur nachdenklich, kniete sich hin, nahm ein Zentimetermaß aus der Tasche und notierte sich sorgfältig die Maße. Dann nickte er zufrieden mit dem Kopf.
Er schlüpfte leise hinaus und machte die Tür hinter sich zu, dann bahnte er sich einen Weg schräg durch die Rhododendronbüsche. Sein Weg führte ihn bergauf, und bald stieß er auf den Pfad, der erst zum Folly führte und
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