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Wiegenlied Roman

Titel: Wiegenlied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Cantz
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machen wollen, dass ich dem verwegenen Wunsch Ihrer Tochter nachkomme …«
    »Wenn Sie mich so fragen«, sagte Clemens, während er nach Hut und Handschuhen griff, »ja, es scheint mir eine hervorragende Idee, einige Bedingungen zu stellen. Wir finden allein hinaus. Es war eine erhellende Begegnung. Ich danke Ihnen, meine Herren.«
    »Es täte mir leid wenn Sie glaubten, ich hätte Ihnen geschadet, Fräulein Heuser«, sagte Caspar an der Tür, »doch seine Antwort wäre in keinem Fall anders ausgefallen.«
    »Sie sind uns keine Rechenschaft schuldig. Bitte bemühen Sie sich nicht.« Helene vermutete, dass seine Augen wieder traurig waren, als er ihnen nachblickte.
    Elias von Siebold war indessen grußlos in den angrenzenden Salon verschwunden, wo seine Frau ihn mit ihrer beider Lieblingsgetränk erwartete.
    »Nun, mein Bester«, fragte sie munter, »hast du es herausbekommen?«
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, knurrte er und verbrannte sich am Rumpunsch die Zunge.
    »Elsa Heuser, Lieber. Ich hätte zu gern gewusst, ob sie mit ihnen verwandt ist.«

    Gesa wurde von einem schweren Schlag geweckt. Sie öffnete die Augen und blickte in dichtesten Nebel. Ihr vom Schlaf noch träger Körper flog nach vorn, und vergeblich suchte sie Halt in den Fellen, als sie auf den Schlittenboden rutschte.
Sie sah den leeren Kutschbock, den führungslosen Flug der Zügel. Sie sah, wie der schwere Pferdeleib hoffnungslos gegen die Wucht des kippenden Schlittens kämpfte.
    Sie selbst spürte den Aufprall nicht, nur die entsetzliche Kälte des Schnees, der ihr in den Nacken kroch, unter die Röcke, in Nase und Ohren. In ihrem schmerzenden Kopf gellten die Angstschreie des Tieres. Aus dem Nebel stach in unbestimmter Nähe der vordere Schwung einer Schlittenkufe. Es war das Einzige, was sie sehen konnte, denn sie konnte sich nicht bewegen.

    Später sagte man ihr, sie habe Stunden im Schnee gelegen. Der Kutscher hatte sich mit seinem gebrochenen Bein zu ihr geschleppt, und erst nachdem ihm klar geworden war, dass es nicht gelingen würde, sie ohne Hilfe unter dem Schlitten hervorzuziehen, suchte er sein Gewehr, um das Pferd aus seinem Todeskampf zu erlösen.
    Man fand Gesa und den dicht neben ihr sitzenden Kutscher etwa fünf Meilen nördlich von Marburg, eben zu der Stunde, als die Postkutsche nach Berlin die Stadt durch das Barfüßertor verließ.
    Erst in ihrem Bett erwachte sie aus der Ohnmacht, und ihre Hand lag in der Doktor Böhmes, der sie zur Ader ließ.
    »Der Mann hat Ihnen vermutlich das Leben gerettet«, sagte der Arzt. »Ohne ihn hätten Sie erfrieren können.«
    Gesa wollte ihm antworten, doch ein stechender Schmerz ließ sie nach Luft schnappen.
    »Ich werde ihm danken, sobald es mir möglich ist«, flüsterte sie. Kraftlos versuchte sie sich aus den Kissenbergen hochzustemmen, in die Lina sie schluchzend gebettet hatte.
Jetzt, da ihre Herrin zu Bewusstsein gekommen war, riss die Magd sich zusammen.
    »Sie müssen ruhig liegen, liebe Gesa, und Sie sollten so wenig wie möglich sprechen«, sagte Doktor Böhme sanft. Er war ein ehemaliger Schüler ihres Mannes, der so mutig gewesen war, sich einzugestehen, dass seine Nerven für die Geburtshilfe zu schwach waren, und sich dem jungen Fach der orthopädischen Chirurgie zugewandt hatte.
    »Ich befürchte, Sie haben sich eine oder mehrere Rippen gebrochen«, fuhr er fort, während er ihre Hand in der seinen behielt. »Sie selbst kennen sich gut genug in der Anatomie aus, um zu wissen, dass es - nun, dass die Lage nicht ganz unbedenklich ist.«
    »Seien Sie so präzise wie möglich, Böhme«, flüsterte Gesa. »Sie sind mir etwas zu sorgenvoll für meinen Geschmack.«
    »Wir sollten umgehend Ihren Mann und Ihre Töchter verständigen lassen. Die reitende Post wird zwei Tage brauchen bis Berlin.«
    »In zwei Tagen«, sagte Gesa mit rasselndem Atem, »werden Sie mich wieder so weit haben, dass ich selbst in die Kutsche steigen kann, verstehen Sie mich? Und wenn ich die Fahrt von Kopf bis Fuß in Bandagen antreten muss. Keine Depesche nach Berlin! Ich bin entschlossen zu reisen.«
    »Dann gestatten Sie mir, Lina mit einigen Rezepten zur Apotheke zu schicken. Ich werde derweil in Ihrer Küche etwas Leinsamen für warme Umschläge ansetzen. Bin ich präzise genug?«
    Lächelnd ließ er Gesas Hand los, als sie nickte.
    Lina, deren dicke Backen wieder Farbe bekommen hatten, jagte dem Arzt auf den Flur nach und machte ihm ängstliche Zeichen, dem Willen ihrer Herrin keinesfalls

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