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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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Morgen.
    In seinem eigenen Büro begann Werthen den Papierberg auf seinem Schreibtisch auf übersichtliche Stapel zu verteilen. Er trennte Unwichtiges von Wichtigem und legte fest, welcher Angelegenheiten er sich selbst annehmen musste und was er Tor überlassen konnte.
    Seine morgendliche Routine wurde jedoch schon bald gestört. Er hörte, wie die Eingangstür geöffnet wurde, dann dasGemurmel gedämpfter Stimmen, und schließlich klopfte Tor an die Tür seines Büros und steckte den Kopf hinein.
    »Ein Herr wünscht Sie zu sehen, Herr Advokat. Von der Polizei.« Tor machte einen fast ängstlichen Eindruck, als er diese letzten Worte hervorbrachte.
    Er führte Kommissar Drechsler hinein, der es außerordentlich eilig zu haben schien.
    »Herr Advokat«, begrüßte er Werthen.
    Tor schloss die Tür langsam hinter sich.
    »Was kann ich für Sie tun, Kommissar? Ich hoffe, Sie kommen nicht wegen des Einbruchs.«
    »Nein, nein«, erwiderte Drechsler geheimnisvoll. »Ich war nur zufällig in der Gegend und hoffte, Dr. Gross bei Ihnen anzutreffen.«
    »Er ist bei mir zu Hause. Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?« Werthen deutete auf einen Stuhl.
    Drechsler schüttelte jedoch den Kopf. »Ich erzähle Ihnen einfach nur kurz, dass unsere kleine nächtliche Überwachungsarbeit endlich Früchte getragen hat.«
    »Nächtliche Überwachung?«
    »Gunthers Mörder, Sie erinnern sich? Er war doch von einer Frau gesehen worden, als er das Gebäude verließ, und wir hatten gehofft, noch jemanden ausfindig zu machen, der uns eine bessere Beschreibung geben könnte.«
    »Ja, richtig. Entschuldigen Sie. Und jetzt hatten Sie Erfolg, sagen Sie?«
    »Mein Gendarm hat schließlich eine andere junge Frau ausfindig gemacht, die ihrer Arbeit an einer Ecke nachgeht, die näher an der Hofburg gelegen ist. Und die erinnert sich sehr genau an den fraglichen Mann.«
    »Aber wie kann sie sich denn so sicher sein? Schließlich ist das doch … wie lange ist dieser Vorfall schon her?«
    »Es ist vor circa drei Wochen passiert, aber sie ist sich ganz sicher. In der Nacht hatte ihr ein Mann ein Trinkgeld von fünf Kronen zugesteckt, daran erinnert sie sich ganz genau und ebenso an das Gesicht von unserem Mann.«
    Werthen lief ein Schauer der Erwartung über den Rücken. »Und Sie konnte Ihnen eine Beschreibung geben?«
    Drechsler antwortete erst nach einer kurzen verlegenen Pause. »Schon, nur leider ist die Beschreibung nicht sonderlich genau. Er soll ein bisschen größer als der Durchschnitt und etwas stämmig sein. Vor allem jedoch erinnert sie sich an seine Augen. Sie sagte, sie hätten gewirkt, als könnten sie einen in die Tiefe ziehen. Na, ich hab’ lieber nicht nachgefragt, von was für einer Tiefe sie da spricht.«
    Drechsler kicherte über seinen kleinen Scherz.
    »Auf jeden Fall«, fuhr er dann fort, »hat der Kerl sie so erschreckt, dass sie gar nicht weiter versuchte, sich ihm anzubieten. Aber sie hat ausgesagt, dass sie ihn auf jeden Fall identifizieren könnte, wenn sie ihn wiedersehen würde.«
    »Hat sie denn gar keine andere Besonderheit erwähnt?«, fragte Werthen. »Wie war sein Haar, Bart, Schnurrbart? Irgendetwas?«
    Drechsler schwieg. »Tut mir leid, ich muss sie einfach noch mal befragen. Eine unscheinbare Kreatur, diese Mitzi Paulus. Ich weiß wirklich nicht, was die Männer in ihr sehen. Sie lebt in einer heruntergekommenen kleinen Mansarde am Kohlmarkt.«
    »Haben Sie ihr schon unsere Auswahl an Gaunern gezeigt, die wir im Verdacht haben? Ich bin sicher, dass wir Photographien von der Hofoper besorgen könnten.«
    »Dabei sind wir gerade, Herr Advokat. Aber es ist gar nicht so einfach, sich Photographien von Männern zu besorgen, die nicht als Kriminelle bekannt sind. Wir arbeiten uns durch die Zeitungen und die Veröffentlichungen der Hofoper. Das braucht halt seine Zeit.«
    »Bravo, Drechsler. Ich werde Ihre Informationen an Gross weitergeben. Wir kommen voran, das spüre ich.«
    »Na, das erzählen Sie mal Meindl. Er war außer sich vor Wut, dass wir Schreier freigelassen haben. Er wollte sogar meine Leber an die Geier verfüttern, diese aufgeblasene Natter.«
    Werthen fand die Beschreibung des Inspektors recht treffend. Drechsler verabschiedete sich und wurde von Tor, der genau im richtigen Moment auftauchte, hinausgeleitet.
     
    Später am Morgen ging Werthen zur Hofoper hinüber. Es war an der Zeit, mit Arnold Rosé zu sprechen, und er vermutete, dass während der Proben der günstigste Moment dafür wäre.
    Er

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