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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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Trotz ihrer hinlänglich bekannten Schwächen garantiert einem die österreichische Bürokratie zumindest eine gewisse Sicherheit, was das Arbeitsverhältnis angeht.«
    »Ich bin nicht gekommen, um Sie zu beschuldigen oder auch nur zu überprüfen«, sagte Werthen. »Stattdessen wollte ich von Ihnen etwas über Mahlers Vergangenheit erfahren.«
    »Sie glauben, die Person, die ihn töten will, hat noch eine alte Rechnung mit ihm offen?«
    »Das ist zumindest eine Möglichkeit. Was wissen Sie zum Beispiel über Hans Rott?«
    Rosé zeigte bei der Nennung des Namens keinerlei Erstaunen. »Ich weiß nur, dass er tot ist und deswegen schwerlich derjenige sein kann, der Mordanschläge auf Gustav verübt hat.«
    »Das ist mir sehr wohl bekannt, Herr Rosé. Ich möchte etwas über die Beziehung der beiden erfahren.«
    »Gustav und Rott? Dazu ist nicht viel zu sagen. Gustav war der, wie ich denke, irrigen Ansicht, dass Rott der Talentierteste aus unserer Generation war.«
    »Sie kennen seine Musik?«
    Rosé warf Werthen einen mitleidigen Blick zu. »Nicht schon wieder!«
    »Was?«
    »Die Geschichte, Gustav hätte dem Mann seine Musik gestohlen, nachdem der im Irrenhaus gestorben war. Das ist Blödsinn, ausgemachter Blödsinn.«
    »Und warum?«
    »Sie brauchen sich nur einmal die Kompositionen der beiden anzuhören.«
    »Sie haben das getan?«
    Rosé sah ihn verwirrt hat. »Seit sehr langer Zeit nicht mehr. Ich glaube, ich habe vor etlichen Jahren einen Teil von Rotts frühen Sinfonien gehört.«
    »Aber wie können Sie dann die Vermutung, Mahler habe sich etwas aus Rotts Werk zu eigen gemacht, einfach als Unsinn abtun?«
    »Weil eine solche Art von Betrug nicht in Gustavs Natur liegt. Er ist, so kann man es wohl sagen, eher zu rein, zu lauter für diese Welt. Er macht es sich selber viel zu schwer und dadurch dann auch anderen.«
    Werthen drängte weiter. »Waren sie Freunde?«
    »Wir waren damals alle irgendwie miteinander befreundet. Aber das war in unseren Studententagen. Rott gehörte eigentlich nicht zu der Sorte von jungen Männern, die gute Freunde haben; er hatte vor allem Verpflichtungen. Als sein Vater starb – seine Mutter war schon einige Jahre zuvor verstorben –, war Rott erst achtzehn. Plötzlich trug er die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern. Das hat ihn völlig verstört, da bin ich sicher.«
    »Von welcher Last sprechen Sie? Dass er als Jüngling nun allein sein Glück machen musste?«
    Rosé nickte. »Seines und das seines jüngeren Bruders. Er musste für sie beide aufkommen und außerdem dafür sorgen, dass der Bruder nicht in Schwierigkeiten geriet.«
    »Wie hieß dieser Bruder?«
    Rosé überlegte für einen Moment. »Ich denke, Karl. Ich habe ihn nie persönlich getroffen, aber soviel ich hörte, interessierte er sich vor allem für Zechgelage. Und markierte wohl gern den starken Mann bei den Damen. Man erzählte sich, er sei außerehelich geboren. Es gab damals Gerüchte, dass seine Mutter eine Liebschaft mit einem Adeligen gehabt hätte, vielleicht sogar einem Habsburger. Ich weiß es nicht genau, aber Rotts jüngerer Bruder kann damals erst fünfzehn oder sechzehn gewesen sein. Wie gesagt, ich habe ihn nie getroffen, nicht einmal bei Rotts Beerdigung. Es fiel allen auf, dass er fehlte. Nicht so der alte Bruckner. Der hat wie ein kleines Kind um Rott, seinen Lieblingsschüler, geweint.«
    Mehr war von Rosé nicht zu erfahren, und so überließ ihn Werthen seiner Geige. Als er den Mittelgang hinaufstieg, trat Regierungsrat Leitner zu ihm.
    »Ich hoffe, Sie haben etwas Wichtiges herausgefunden. Die Sache muss allmählich ein Ende haben.«
    »Gewiss«, erwiderte Werthen. »Vielen Dank, dass Sie das Gespräch ermöglicht haben.«
    »Sind Sie denn jetzt wenigstens kurz davor, den Täter zu fassen?«
    »Wir sind ihm dicht auf den Fersen«, antwortete Werthen. »Und kommen ihm jeden Tag ein Stückchen näher.«
    Er war sich nicht ganz sicher, aber bei dieser Bemerkung, die eher ein Bluff gewesen war, schien ein Ausdruck ängstlicher Besorgnis über Leitners Gesicht zu zucken. Diese Miene verschwand jedoch ebenso rasch, und Leitner zeigte wieder seinen üblichen nichtssagenden Gesichtsausdruck.
    Auf der Bühne ertönte plötzlich lautes Japsen und Bellen,und Werthen sah verwundert, wie der Inspizient, Siegfried Blauer, ein Rudel Jagdhunde auf die Bühne führte, die an ihren Leinen zerrten. Mit seinem längst aus der Mode gekommenen Backenbart und diesem Rudel von Hunden um sich herum sah er fast wie

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