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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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von Franz Josephs Brüdern. Der Prinz blieb Junggeselle und starb 1984, aber sein Nachkomme lebte offensichtlich noch.
     
    Mahler schien wieder ganz der Alte zu sein; er studierte gerade die Partitur des
Tannhäuser
, als Justine Werthen in das große Wohnzimmer mit dem Bösendorfer-Flügel führte. Gross war unterdessen wegen weiterer Hinweise zu Drechsler gegangen.
    Werthen hatte sich schon immer gefragt, wie ein Dirigent es schaffte, ein Orchester mit fünfzig oder sogar mehr Musikern und überdies eine Besetzung von manchmal über hundert Sängern zu dirigieren, speziell in Mahlers grandiosen Vorstellungen von zwei- bis dreistündigen komplexen und anspruchsvollen Opernpartituren. Hier sah er einen offensichtlichen Teil der Erklärung: harte Arbeit, Aufmerksamkeit für jedes noch so kleine Detail und intensives Pauken, das einen Matura-Kandidaten vor Neid erblassen lassen würde. Mahler, der die Oper sicherlich schon hundert Mal in seiner Karriere dirigiert hatte, folgte der Partitur Note für Note mit der linken Hand und machte sich mit der rechten Hand detaillierte letzte Notizen.
    Obwohl er vor nur wenigen Tagen noch dem Tode nahe gewesen war, würde Mahler am Abend die Sondervorstellung des
Tannhäuser
zu Ehren von Wagners Witwe leiten. Cosima Wagner würde am Abend persönlich anwesend sein.
    »Werthen!«, rief er, sobald er den Anwalt bemerkt hatte, »haben Sie ihn gefasst?«
    »Bald, Herr Mahler.«
    Der Komponist nickte seiner Schwester zu, die an der Tür wartete. Justine schloss leise die Tür und entfernte sich.
    »Ich muss Ihnen und Ihren Detektivkollegen gegenüber eine Sache ganz klarstellen. Ich möchte nicht, dass meine Schwester Natalie und Herr Rosé weiterhin mit Ihren Nachforschungen belästigt werden. Man darf Sie nicht wie gewöhnliche Kriminelle behandeln. Ist das klar genug ausgedrückt?«
    Sein Gesicht nahm plötzlich einen rücksichtslosen und bösartigen Ausdruck an.
    Aber Werthen ließ sich von diesem herrischen Benehmen nicht einschüchtern.
    »Jemand versucht, Sie zu töten, Herr Mahler. Diese Person hat schon drei Menschen auf dem Gewissen.«
    »Drei?«
    »Ja. Ich komme gerade von dem grauenvollen Tatort eines Verbrechens. Dort wurde eine junge Frau förmlich abgeschlachtet. Sie hat wahrscheinlich unseren Verdächtigen dabei beobachtet, wie er Herrn Gunthers Haus verließ, und hat dafür mit dem Leben bezahlt.«
    »Das ist ja furchtbar!«, stieß Mahler hervor.
    »Ja, und wir haben jetzt keine Zeit mehr für Mutmaßungen oder gesellschaftliche und familiäre Rücksichtnahmen. Sie haben mich engagiert, um eine Arbeit zu erledigen, und genau das werde ich tun.«
    »Gut, aber wo waren Sie, als ich Sie brauchte? Sie haben Ihren Assistenten geschickt, der an Ihrer Stelle die Arbeit erledigen sollte.«
    Werthen hütete sich, das Offensichtliche auszusprechen: dass niemand einen Mörder aufhalten kann, der entschlossen genug und sogar bereit ist, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um die Tat zu begehen.
    »Tor ist ein kompetenter Mann«, entgegnete Werthen.
    »Für Testamente und Treuhandangelegenheiten mag das zutreffen. Ich habe Sie aber darüber hinaus noch für andere Dinge engagiert. Außerdem kam er zu spät.« Mahler zog angesichts dieser unverzeihlichen Sünde eine Augenbraue hoch.
    »Sie kennen doch die umständlichen Zugverbindungen, auf die man angewiesen ist. Die Züge sind auch nicht immer pünktlich.«
    »Er kam einen ganzen Tag zu spät«, erklärte Mahler. »Wir haben ihn am Mittwoch erwartet. Schließlich ist er am Donnerstagangekommen, musste dann aber noch am selben Nachmittag zurück in die Stadt.«
    »Die Polizei war doch vor Ort. Wenn die Sie nicht beschützen konnte, steht zu bezweifeln, dass selbst ich es gekonnt hätte.«
    »Die Polizei!« Mahler spie das Wort fast hervor.
    »Ich bin jedoch nicht deswegen zu Ihnen gekommen. Ich möchte etwas über Hans Rott erfahren.«
    Mahler blickte von der Tastatur auf.
    »Wo habe ich nur meine Manieren gelassen? Bitte, setzen Sie sich doch.«
    Er erhob sich von der Klavierbank und führte Werthen zu zwei Stühlen neben der Liege. Sie setzten sich, und Mahler sah Werthen blinzelnd an.
    »Was genau möchten Sie wissen?«
    »Könnte jemand, der in Beziehung zu Rott steht, Grund haben, Ihnen etwas anzutun?«
    »Maria und Josef! Geht es wieder um diese alten Gerüchte, die mir wie eine Fuhre Mist folgen? Genug davon!, sage ich. Ich will nichts mehr davon hören.«
    »Es könnte also einen Grund geben?«
    Mahler machte den

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