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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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Geräusche. Der Beamte bewegte sich angesichts seines Gewichts erstaunlich schnell; er hatte es wohl eilig, zur seiner erbaulichen Lektüre über das jüdische Problem in Österreich zurückzukehren, wie Werthen mutmaßte.
    »Hier ist es«, sagte er schließlich und hielt vor einer Tür, die mit der Nummer dreizehn gekennzeichnet war. Er hielt sichnicht mit Anklopfen auf, steckte seinen Generalschlüssel ins Schlüsselloch, öffnete die Tür und schob seinen Kopf ins Zimmer.
    »Besuch, Herr Wolf. Seien Sie lieb, sonst gibt es heute Abend keinen Strudel.«
    Dann zog der Mann den Kopf wieder zurück und winkte ihnen verschwörerisch zu, als hätte er ein ungezogenes Kind gezüchtigt.
    »Er wird kooperieren. Wenn nicht, kann ich auch noch etwas deutlicher mit ihm umspringen …«
    »Das wird nicht notwendig sein«, entgegnete Gross. »Sie können jetzt gehen.«
    »Das ist aber gegen die Vorschriften«, widersprach der Beamte.
    Seine dienstlichen Bedenken lösten sich jedoch augenblicklich in Luft auf, als Werthen ihm drei Florin in die Hand drückte.
    »Da der Herr Hofrat den Besuch persönlich erlaubt hat, wird schon alles in Ordnung sein, nehme ich an.«
    »Allerdings«, erwiderte Gross und drängte sich an ihm vorbei in das Zimmer. Werthen folgte ihm und schloss die Tür hinter sich.
    Vom Bett aus starrte sie ein schmächtiger Mann mit riesigen Augen und dem verlorensten Blick an, dem Werthen jemals begegnet war. Wolf war schlank und wirkte grüblerisch, seine scharfen Gesichtszüge wirkten wie gemeißelt. Unter den tiefliegenden Augen zeigten sich violette Flecken, die Haut unter den Wangenknochen war von tiefen Furchen durchzogen, die wie Narben wirkten. Sein Bartwuchs war sehr spärlich; er hatte einen nervösen Tick, der ihn zwang, unaufhörlich dieBarthaare herauszuziehen, so dass seine Gesichtsbehaarung nur noch wie ein blasser Schatten eines Bartes wirkte.
    Wie erwartet war durch das Fenster der Stephansdom gut zu sehen. Allerdings wurde der Blick durch die Gitter vor den Scheiben quadratisch unterteilt. Ein verstaubter Flügel von Bösendorfer nahm den meisten Platz im Raum ein.
    »Ich wusste, dass Sie kommen würden.« Wolfs Stimme stand in völligem Gegensatz zu seiner äußeren Erscheinung, sie war kraftvoll, fast dröhnend. Werthen zuckte dabei unwillkürlich zusammen.
    »Ist er jetzt gegangen? Versteht man es endlich?«
    Gross war sehr versiert in Psychologie und zögerte keinen Moment.
    »Ja«, erwiderte er. »Alles ist so, wie es sein sollte.«
    Bei dieser Bemerkung schienen sich Wolfs Gesichtszüge fast aufzuhellen; er schlang die Arme um die Knie und zog sie unter das Kinn. Dann begann er auf dem Bett zu schaukeln.
    »Endlich«, murmelte er.
    Diesen Mann so heruntergekommen zu erleben war für Werthen fast nicht zu ertragen. So also lebte der große Fackelträger der Musik Richard Wagners, der Komponist der Mörike-Lieder, der Eichendorff-Lieder, der Goethe-Lieder, des Italienischen Liederbuches und der Oper
Der Corregidor
, alle gerühmt für die Tiefe des Gefühls, für ihre bahnbrechende Tonalität. Und nun war er nur noch eine bloße menschliche Hülle.
    »Sie können meine Oper aufführen. Ich bin jetzt der Direktor.«
    In Gedanken war er immer noch beim Streit mit Mahler, dachte Werthen, was ihnen, wie er schuldbewusst zugeben musste, zum Vorteil gereichte.
    »Ja«, stimmte Gross zu. »Zu guter Letzt.«
    »Er ist ein Teufel, müssen Sie wissen.« Seine Stimme erhob sich fast zu einem Schrei bei dem Wort »Teufel«. Wolf wandte sich Werthen zu und starrte nun ihn an und nicht mehr Gross.
    Die Worte entsetzten den Anwalt, aber er brachte die Kraft zu einer Erwiderung auf.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Er hat meine Idee für ein Libretto gestohlen. O ja, Wort für Wort hat er gestohlen. Und ich war nicht der Einzige. Nein. Der andere. Das Genie. Der Teufel hat auch von ihm gestohlen. Und hat seine Tage auch hier beschlossen. Genau wie ich. Oh, er ist ein Teufel, ganz sicher.«
    »Mahler?«, sagte Gross. »Ist er der Teufel?«
    Plötzlich sprang Wolf vom Bett auf und rammte den Kopf gegen die Wand, was eine tiefe Wunde auf seiner Stirn verursachte. Blut lief über sein eingefallenes Gesicht, und er lachte hysterisch.
    Werthen eilte zur Tür, riss sie auf und rief nach einer Wache. Schwere Stiefel hämmerten durch den Korridor. Zwei stattliche Männer in langen weißen Kitteln stürmten in das Zimmer, packten Wolf mit den Armen und warfen ihn auf das Bett. Der größere von beiden stemmte sein Knie

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