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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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unterwegs war. Die Gaslampe bei Gunthers Haus funktionierte nicht, die Zeugin konnte daher wenig mehr berichten. Alter, Gesichtszüge, Bekleidung Fehlanzeige. So wie er sich bewegte, schien er aber eher von mittlerem Alter als jung zu sein. Aber als ihr klar wurde, dass mit ihm kein Geschäft zu machen war, verlor sie schnell das Interesse.«
    »Und es wartete keine Kutsche auf ihn, kein Fiaker?«, erkundigte sich Gross.
    »Sie gab an, dass er zu Fuß weiterging, und zwar die Herrengasse hinunter zur Hofburg. Er kam nicht in ihre Richtung.«
    »Konnte sie die Zeit nicht präziser angeben als nur ›in den frühen Morgenstunden‹?«, hakte Werthen nach.
    Drechsler zuckte die Achseln. »Sie erinnert sich, dass die Glocke der Minoriten-Kirche zwei geschlagen hat, ist sich aber nicht mehr sicher, wie viel Zeit danach verging, bevor sie den Mann sah.«
    »Also ungefähr zwischen zwei und drei Uhr am Morgen?«, meinte Gross.
    »Das dürfte eine realistische Schätzung sein«, entgegnete Drechsler.
    Werthen wollte gerade die offensichtliche Schlussfolgerung ziehen, als Gross ihm zuvorkam.
    »Ich nehme an, der junge findige Wachtmeister hat dann auch die nächtliche Szenerie der entfernter liegenden Abschnitte der Herrengasse observiert, in der Hoffnung, weitere Zeugen zu finden?«
    Drechsler lächelte. »Es ist ein Vergnügen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, Dr. Gross. Man muss nicht alles erklären.«
    Gross nahm das Kompliment mit einem Nicken zur Kenntnis.
    »Und noch eins«, sagte Drechsler, »man sollte den Inspektor nicht verärgern.«
    »Sie meinen Meindl?«, sagte Werthen.
    Drechsler nickte. »Er mag Sie nicht besonders.«
    »Daraus hat er wahrlich keinen Hehl gemacht«, entgegnete Werthen.
    »Er setzt darauf, dass Sie einen falschen Schritt in der Ermittlung machen. Damit er irgendwie Ihre Karriere, Ihren guten Ruf zerstören kann.«
    Werthen konnte das verstehen, fragte sich aber, warum Drechsler so offen darüber sprach.
    »Und Sie hält er für einen Windbeutel«, sagte Drechsler an Gross gewandt. Dieser errötete, entgegnete aber nichts.
    »Sie sind recht offen mit uns, Herr Kriminalkommissar«, sagte Werthen.
    »Wollen Sie die Wahrheit wissen? Ich kann den Mann nicht leiden. Er versteht rein gar nichts von der Polizeiarbeit. Seine Freunde höheren Orts haben ihm diese Position im Präsidium verschafft. Er behandelt seine Männer wie Apportierhunde, steckt Lob für eine Verhaftung stets selbst ein, wälzt aber allen Tadel wegen der ungelösten Fälle auf andere ab.«
    »Und Sie halten sich selbst für die bessere Wahl als Inspektor des Polizeipräsidiums«, folgerte Gross.
    »Selbst meine Tante Gretl wäre eine bessere Wahl«, antwortete Drechsler. »Aber einen wie mich würde man dort niemals nehmen. Ich war nicht auf der Universität und habe nicht die richtigen Freunde. Nein, ich habe diesen Ehrgeiz nicht, aber ich hätte schon lieber einen besseren Chef als den jetzigen.«
    »Das glaube ich Ihnen, Herr Kriminalkommissar«, meinte Gross. »Und sicher teilen etliche andere Beamten ebenfalls diesen Wunsch.«
    »Vielleicht können wir uns dann ja gegenseitig helfen«, meinte Drechsler ein wenig doppeldeutig und war kurz darauf in Richtung des Ersten Bezirks, Freyung, entschwunden.
    Werthen und Gross schlenderten über den Ring.
    »Ich hätte wirklich nichts gegen ein Plätzchen zum Essen«, sagte Gross schließlich.
    Werthen wollte jedoch noch etwas klären, bevor sie sich nach einem geeigneten Restaurant umsahen.
    »Drechsler war sehr offen zu uns. Aber Sie haben sich nicht erkenntlich gezeigt. Sie haben den anonymen Brief nicht erwähnt und auch nicht die mögliche Verbindung zu Mahlers Vergangenheit.«
    »War das jetzt eine Frage?«, entgegnete Gross.
    »So könnte man sagen.«
    »Darauf kann ich nur antworten, dass Sie das auch nicht getan haben.«
    »Ich war mir ziemlich sicher, dass Sie auf einen solchen Vorstoß meinerseits nicht gerade gewartet haben.«
    »Genaugenommen habe ich genau das getan, mein lieber Werthen. Dies ist, wie Sie ja so häufig zu erinnern pflegen, Ihr Fall. Es ist also auch Ihre Entscheidung, wen Sie ins Vertrauen ziehen.«
    »Ich bin nicht sicher, dass es eine bewusste Entscheidung war. Ich habe nur …«
    »Genau«, fiel ihm Gross ins Wort, »Sie haben instinktiv entschieden, gefühlsmäßig. Und das ist völlig in Ordnung. In diesem Stadium unserer neuen Ermittlungen gilt, je wenigerPersonen eingeweiht sind, umso besser. Und jetzt … was halten Sie von einer

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