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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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wissen, dass Sie ein äußerst zuvorkommender und kooperativer Staatsdiener wären.«
    Werthen war klar, dass der Kriminologe das Wort »Staats diener « vor allem wegen seines zweiten Wortteils und seiner weitreichenden Implikationen gewählt hatte. Hanslick gehörte zu der Sorte von Mann, die man an ihren offiziellen Status erinnern musste.
    Herr Otto brachte ohne weiteres Aufhebens zwei Tassen Kaffee.
    »Mein Kollege Werthen und ich hatten die Gelegenheit, Ihre Artikel zu studieren«, fuhr Gross fort, »vor allem Ihre kenntnisreiche und ausgezeichnete Arbeit ›Das Schöne in der Musik‹. Wir sind beide der Ansicht, dass Sie der richtige Mann für diese Aufgabe sind.«
    Hanslick strahlte angesichts dieses Lobes, kniff im nächsten Moment jedoch die Augen zweifelnd zusammen.
    »Und um welche Aufgabe handelt es sich wohl, meine Herren?«
    »Prinz Montenuovo hat den Plan gefasst, die jungen Menschen unseres Kaiserreiches über unsere kulturellen Errungenschaften zu unterrichten. Zu diesem Zweck möchte er verschiedene Schulbücher über alle Kunstrichtungen erstellen lassen, vonder Musik über die Malerei zu Skulptur und Entwurf. Jeder Band soll von einer absoluten Autorität auf diesem Gebiet verfasst werden. Soweit es um Musik geht, steht selbstverständlich Ihr Name, Herr Hanslick, ganz oben auf der Liste.«
    »Ein Schulbuch?«
    Gross schüttelte den Kopf. »Vielleicht ein falsch gewählter Ausdruck. Ein Buch, das den ganzen musikalischen Reichtum unseres großen Reiches umfasst und die jungen Menschen an die Wunderwerke unserer Komponisten heranführt. Wer wäre dafür wohl besser geeignet als Sie?«
    Gross lächelte dem Kritiker salbungsvoll zu. Es war wirklich ein gelungener Auftritt, musste Werthen zugeben. Fast glaubte er selbst, dass es ein solches Projekt gab. Dieses Mal jedoch, anders als bei ihrer vorgeblichen Mission bei Frau Strauß, hatten Werthen und Gross die kleine List vorab mit dem Prinzen besprochen. Falls Hanslick mit einer Anfrage beim Oberhofmeister überprüfen würde, ob diese Bücher wirklich geplant wären, würde man es ihm bestätigen. Dann jedoch, nach einer gewissen Zeit, würde dasselbe Amt mit Bedauern verkünden, dass das Projekt verschoben sei.
    »Ich fühle mich sehr geehrt«, begann Hanslick.
    »Ausgezeichnet, ausgezeichnet«, unterbrach Gross ihn schwärmerisch. »Und wir sind nun hier, um sicherzustellen, dass die Leistungen unserer Komponisten in ihrer ganzen Bandbreite Eingang in diese Bücher finden, denn natürlich ist uns Ihre Position im sogenannten ›Krieg der Romantiker‹ nicht unbekannt.«
    Hanslick hob bei dieser Bemerkung seine Hand und bewegte seine kurzen, stumpfen Finger dabei, als spiele er Klavier.
    »Ach bitte, verschonen Sie mich mit diesen alten Geschichten.«
    »Alte Geschichten, mein Herr?«, hakte Gross nach.
    Hanslick trank einen Schluck Kaffee. »Das sind doch längst überholte musikalische Streitereien. Es wird höchste Zeit, dass man sie endlich zu Grabe trägt.«
    »Wir waren der Ansicht, dass Sie Ihrer Meinung über einige unserer Komponisten sehr deutlich Ausdruck verliehen haben.« Werthen wählte seine Worte absichtlich sehr wohlgesetzt.
    »Ich habe eine sehr klare Meinung, ganz gewiss. Sie befürchten vermutlich, ich würde Komponisten wie Bruckner oder Strauß, die das Gefühl in der Musik meiner Meinung nach zu stark in den Mittelpunkt stellen, einen geringeren Platz einräumen?«
    »Allerdings«, gab Werthen zu, »dieser Gedanke war uns in der Tat gekommen. Ich glaube, Sie sprachen in Ihrer Kritik anlässlich der Premiere von Bruckners achter Sinfonie von ›traumvernebeltem Katzenjammer‹.«
    »Ich fürchte, meine Kritiker verstehen mich nicht immer richtig. Oder vielleicht verstehen sie mich doch und geben lediglich falsch wieder, was ich wirklich sage. Einige behaupten, ich hätte eine klare Linie gezogen: ob eine Komposition als intellektueller oder emotionaler, in Tönen verkörperter Inhalt verstanden werden kann oder lediglich als inhaltslose, tonale Struktur. Meine Kritiker – man könnte sie auch meine Feinde nennen – sagen, ich schreibe dies zum Schaden der letzteren. Ich habe jedoch meiner Ansicht nach in meiner Abhandlung ›Das Schöne in der Musik‹ eine klare Erörterung dieser beiden Extreme gegeben. Es ist wahr, ich empfand und empfinde Bruckners Werke noch immer als nervtötend. Die Achte warzwar, im Gegensatz zu anderen Sinfonien Bruckners, durchaus interessant in ihren Details, aber als Ganzes doch fremd und fast

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