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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
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vorgestellt.«
    »Und haben sie dir etwas erzählt?« Johanna goss ihnen beiden noch etwas Grappa nach.
    Rosa schenkte ihr ein ironisches Lächeln. »Ich bitte dich! Pharmafirmen ähneln Sicherheitsgefängnissen. Ich bin eine Woche lang von Frau Keine-Ahnung zu Herrn Wer-sind-Sie-überhaupt verbunden worden und habe rein gar nichts rausgefunden.«
    »Kann dir Liebhart da nicht helfen?«
    Rosa betrachtete den letzten Streifen Sonnenlicht durch ihr Grappaglas, in dem zwei Kaffeebohnen schwammen. »Nachdem wir die Collage gefunden hatten, hat er alles darangesetzt, dass die Umstände, unter denen Paul gestorben ist, erneut untersucht werden.« Sie stellte das Glas auf den Tisch. »Keine Chance, die Polizei kann keine finanziellen Mittel für einen alten Fall aufwenden, nur weil ein Foto des …«, Rosa schluckte, »Toten auf einem Bild aufgetaucht ist.«
    »Ermordeten«, unterbrach Johanna sie. »Nenn das Kind ruhig beim Namen. Du bist davon überzeugt, dass Paul ermordet wurde!«
    Rosa seufzte. »Ja, das glaube ich. Auf jeden Fall habe ich heute einen Brief von der Bakk Pharm  AG   erhalten. Sie wollen, dass ich mich so bald wie möglich bei einem Herrn Daniel Mühlböck melde.«
    »Ja, und was willst du dem sagen?« Johanna hielt einen imaginären Telefonhörer an ihr Ohr: »Hallo, ich bin die Blum. Es gibt da einen Wahnsinnigen, der bei Ihnen Böden aufgewischt und wahrscheinlich meinen Freund auf dem Gewissen hat, und ich denke, dass Sie etwas mit der Sache zu tun haben?«
    Rosa zeigte sich unbeeindruckt von Johannas Darbietung. »Ich weiß noch nicht, was ich denen sage, aber mir wird schon etwas einfallen.«
    Sie schwiegen eine Weile, in den dunklen Feldern ringsum erhob sich ein Grillenkonzert. Eine kühle Brise strich durch die Blätter des Nussbaumes.
    Rosa spürte Johannas Hand auf ihrem Arm und wandte sich ihr zu.
    »Sei bloß vorsichtig«, sagte Johanna, »leg dich nicht mit einer Pharmafirma an. Die sind unglaublich einflussreich und haben sehr viel Geld. Falls du auch nur ansatzweise in etwas hineinschnüffelst, was denen nicht passt oder vielleicht ein Projekt gefährden könnte, bin ich mir sicher, dass sie nicht zimperlich sind.«
    Rosa tätschelte Johannas Hand.
    »Keine Sorge, mir passiert schon nichts«, versuchte sie ihre Freundin zu beruhigen.
    In der Nacht träumte sie von Paul, der in einer Sandgrube stand und ihr zuwinkte. Ein starker Wind wehte. Sie lief auf ihn zu, doch der Sand war tief, und sie sank ein. Er rief etwas, sie konnte seine Worte durch den Wind nicht verstehen. Rosa versuchte, sich aus der Grube zu befreien, und rief seinen Namen, doch sie sank immer tiefer. Paul verschwand hinter einem dichten Vorhang aus Sand.
    * * *
    Ich bin gestern Nacht aufgewacht, weil etwas über mein Gesicht gekrochen ist. Als ich Licht gemacht habe, war der Boden voller Kakerlaken. Sie sind im Dunkeln aus den Mauerritzen gekommen. Ich habe mitten in der Nacht begonnen, den Boden zu kehren und die Ritzen in den Wänden mit Klebeband zu verkleben, etwas anderes hatte ich nicht dabei. Heute habe ich fast den ganzen Tag gebraucht, um das Zimmer zu putzen. Wenn Agnieszka sehen könnte, wie ich lebe, sie würde weinen. Ich kann kein Wort mit der Wirtin hier sprechen, sie tut immer so, als würde sie mich nicht verstehen. Obwohl die paar Brocken Deutsch, die ich spreche, sicher dazu reichen, ihr klarzumachen, dass, obwohl das Zimmer sehr billig ist, es unmöglich ist, mit Schimmel an Wand und Waschbecken und mit Kakerlaken zu leben. Ich decke mich in der Nacht mit meiner Kleidung zu, da das Bettzeug feucht und klamm ist und abscheulich stinkt. Hier regnet es ununterbrochen, meine Schuhe sind ganz durchweicht. Ich habe kein zweites Paar, und das feuchte Material reibt an meinen Füßen, die schon voller Blasen sind. Ich bin sehr froh, wenn ich hier wieder weg kann.
    War bei Frau Zehetmair, habe viel erfahren. Ich bin auf der richtigen Spur.

9
    »Mein Name ist Rosa Blum, ich möchte bitte mit Herrn Mühlböck sprechen. – Ja, vielen Dank.«
    Während Rosa wartete, verbunden zu werden, lauschte sie mit wippendem Fuß einem Klarinettenkonzert von Mozart. Sie pfiff leise mit, stand auf und ging in die Küche. Den Hörer zwischen Schulter und Wange geklemmt, schmierte sie sich noch ein Butterbrot. Nachdem sie sich erneut Kaffee eingegossen hatte, wählte sie aus der großen hölzernen Obstschale einen Apfel und legte alles auf ein Tablett, das sie auf die Terrasse trug.
    Es schien wieder ein regenfreier,

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