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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
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heißer Tag zu werden. Die Sonne stand wie eine glühende Scheibe am Himmel. Der verwitterte Natursteinbelag der Terrasse, in den vereinzelt bunte Keramikfliesen eingelassen waren, hatte sich schon ganz schön aufgeheizt.
    Rosa stellte das Tablett ab und ging mit dem Telefon am Ohr in den Garten. Das Klarinettenkonzert ging ihr langsam auf die Nerven, sie wollte die Leitung nicht zu lange blockieren, da sie einen Anruf von Liebhart erwartete.
    Sie steuerte auf den Schatten der alten Blutbuche zu, um deren Stamm sie eine runde Holzbank hatte zimmern lassen, nahm darauf Platz und ließ ihren Blick über den Garten schweifen, der schon jetzt, am frühen Vormittag, wegen der Hitze alles hängen ließ. Durch den starken Regen im Frühjahr wuchs Moos zwischen den Ziegeln, die unter der Buche lagen. Das dichte Blätterdach des Baumes ließ nur wenige Sonnenstrahlen durch, und Rosa spürte den angenehmen kühlen Stein unter ihren nackten Füßen.
    »Mühlböck«, meldete sich nach einer Ewigkeit eine Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Guten Tag, mein Name ist Rosa Blum. Ich habe einen Brief bekommen, in dem stand, Sie könnten mir Auskunft über ehemalige Mitarbeiter geben.«
    Rosa vernahm ein Räuspern.
    »Ja, ich erinnere mich«, antwortete Herr Mühlböck. »Es kommt darauf an, was genau Sie wissen wollen.«
    Rosa leierte die vorher zurechtgelegte Geschichte herunter. »Ich war die Lebensgefährtin des verstorbenen Paul Dearing. Wir haben gemeinsam an einem Buch über historische Malfarben gearbeitet. Ich möchte von Ihnen wissen, ob Sie noch irgendwelche Aufzeichnungen von ihm haben, da ich gerade dabei bin, das Buch zu finalisieren.«
    Am anderen Ende der Leitung blieb es still.
    Rosa hatte Paul auf einen Kongress in Bern zum Thema »Bestandteile historischer Malfarben und ihre Verwendung« vor fünfzehn Jahren kennengelernt. Ein Buch über den Kongress war nie entstanden, aber Rosa wollte den Fachbereich, in dem sie sich auskannte, nicht verlassen, um eventuell zusätzliche Informationen zu dem vermeintlichen Buch geben zu können. Sobald sie Einsicht in Pauls Unterlagen genommen hatte, könnte sie immer noch sagen, dass aus der Veröffentlichung leider nichts geworden sei. Abgesehen davon war es unmöglich, einen Mitarbeiter der Bakk Pharm  AG   zu fragen, ob sie einen mordenden Psychopathen beschäftigt hatten, dessen Geschichte vor ein paar Monaten durch die Presse gegangen war. Die Firma würde sicher alles tun, um zu vermeiden, mit ihm in Verbindung gebracht zu werden.
    »Falls Sie mir weiterhelfen, würde ich dafür sorgen, dass Ihre Firma als wichtiger Kooperationspartner in dem Buch genannt wird.«
    Mühlböck schien das zu überzeugen, sie vernahm Papiergeraschel und Tastaturgehämmer, dann antwortete er. »In den alten Personalregistern taucht Paul Dearing als Projektassistent auf. Ich weiß nicht, ob noch Unterlagen von ihm im Haus sind, und falls ja, muss ich erst herausfinden, ob wir Ihnen die zur Verfügung stellen dürfen.«
    Rosa atmete tief ein und entschied sich für einen unverbindlichen Abgang. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das herausfinden könnten und mir dann Bescheid gäben.«
    Daniel Mühlböck versprach, sich zu melden, und legte auf. Rosa ließ das Telefon sinken. Ihre erfundene Geschichte kam ihr plötzlich schwachsinnig vor; sie war davon überzeugt, nie wieder etwas von Herrn Mühlböck zu hören.
    Als sie zurück zur Terrasse ging, läutete das Telefon.
    »Es war ein einseitig geschliffener, nicht sehr spitzer Gegenstand. Wahrscheinlich eine Schere«, begann Liebhart grußlos.
    Rosa fragte sich, ob sie der letzte höfliche Mensch auf Erden war, der sich mit seinem Namen meldete.
    Laut sagte sie: »Ich verstehe kein Wort.«
    »Die Spuren des Werkzeuges, mit dem die Goldplatte vom Brustkreuz gelöst worden war, sind ausgewertet. Es hat sich wohl um eine Schere gehandelt. Kannst du in einer Stunde in Wien sein? Dann wird der Goldschmied im   BKA   die Goldplatte entfernen.« Er klang angespannt.
    »Komme« war alles, was Rosa sagte.
    Sie legte auf und lief ins Haus, um sich umzuziehen.
    Eine Dreiviertelstunde später fuhr sie in den Innenhof des Bundeskriminalamtes ein.
    Liebhart, Schurrauer und Frau Dr. Reschreiter standen um den Tisch, an dem Rosa gestern gearbeitet hatte. Ein kleiner Mann mit Halbglatze und einer dicken Brille saß vor dem Kreuz und löste mit feingliedrigen Fingern die letzten Lötstellen der Goldplatte vom Untergrund. Dann hob er sie mit zwei

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