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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
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wird mir so was passieren«, knurrte sie.
    Sie blanchierte eine Handvoll Mandelkerne, rieb die Hühnerteile mit Salz und Pfeffer ein und ließ etwas Butter in einer gusseisernen Pfanne zergehen. Die Katze wurde vom Geruch des frischen Fleisches angezogen und strich schmeichelnd um ihre Beine. Rosa schabte etwas Hühnerfleisch von einem Knochen und füllte damit das Fressschüsselchen.
    Ihr Peiniger hatte zwei Menschen geköpft. Als sie ihn geschnappt und sein Lager durchsucht hatten, hatten die Polizisten eine Collage gefunden, auf der Rosas Freund Paul abgebildet gewesen war.
    Rosa briet die Hühnerteile von allen Seiten scharf an, wobei sie darauf achtete, dass die Butter nicht schwarz wurde. Dann legte sie das Huhn in eine Tonschüssel, die sie vorher mit kaltem Wasser ausgespült hatte, hackte die Zwiebeln klein und zog dem Knoblauch die Schale ab.
    Eine farbige Kopie der Collage war ihr von der Polizei übergeben worden und lehnte seitdem an einem Bücherregal in Rosas Haus. Es war ein großformatiges Bild mit Ausschnitten aus einem Filmplakat zu »A Clockwork Orange« nach dem gleichnamigen Roman von Anthony Burgess. Sie kannte es inzwischen auswendig.
    Sie erhitzte etwas Öl und warf die Zwiebel und den Knoblauch hinzu. Bevor sie das Ganze mit Weißwein ablöschte, ließ sie es ein wenig anschwitzen. Dann gab sie die Mandeln und die Thymianzweige dazu und ließ den Sud aufkochen.
    Rosa warf einen Blick über ihre Schulter zu der Collage; sie zeigte Einsteins Formel der Relativitätstheorie E = mc² unter zwei aus einer Illustrierten ausgeschnittenen Rasenstücken und einen Lottoschein, der über das Bild eines Hundes geklebt worden war.
    Der Fond war nun dick genug eingekocht. Rosa goss ihn über das Huhn in die Tonschüssel und schob sie in den Backofen.
    Paul war vor ein paar Jahren auf einem Steg am Komatsee ausgerutscht und mit seinem Kopf so heftig auf einen Holzpflock geprallt, dass ein Stück des Holzes abgebrochen war. Er war in den See gefallen und ertrunken.
    Im linken unteren Bereich der Collage war ein Foto von ihm, er stand in einer dunkelblauen Regenjacke mit den Händen in den Hosentaschen am Ufer des Sees und starrte auf die spiegelglatte Oberfläche. Er trug dieselbe Kleidung wie am Tag seines Todes. Hinter ihm sah man den Scheinwerfer seines Autos, der Rest des Bildes war mit Fotos aus Zeitungen bedeckt.
    Die Katze strich wieder um Rosas Beine, sie hob sie hoch, legte sie in ihre Arme und begann, sie am Bauch zu kraulen. Das schien dem Tier zu gefallen, und es bog sich auf Rosas Arm genussvoll nach hinten.
    Der Hersteller der Collage konnte leider nicht mehr befragt werden, wie er zu Pauls Foto gekommen war. Er hatte sich in seiner Zelle erhängt. Bis heute blieb es ein Rätsel, wie er den Gürtel dorthin hatte schmuggeln können. Die nachfolgenden Untersuchungen hatten ergeben, dass wohl ein Wärter bestochen worden war, von wem, konnte die Polizei aber nicht herausfinden. Personen mit den nötigen Mitteln und Beziehungen hatten offensichtlich von draußen dafür gesorgt.
    Rosa war sich seitdem sicher, dass Pauls Tod kein Unfall gewesen und das Foto an seinem Todestag aufgenommen worden war. Aus welchen Gründen auch immer hatte ihr Peiniger es in seine Collage eingebaut. Bis jetzt hatte Rosa nicht herausfinden können, warum Paul sterben musste, aber sie war sich sicher, dass die Hintermänner noch immer auf freiem Fuß waren.
    Rosa hatte sich nach seinem Tod vor drei Jahren komplett zurückgezogen. Von dem Geld, das sie einst als Beraterin zahlreicher Auktionshäuser verdient, und von dem, was Paul ihr hinterlassen hatte, konnte sie problemlos leben. Das Haus war ausbezahlt, und Rosa war mit ihrem Leben so weit zufrieden. Ab und zu schrieb sie noch immer Gutachten für diverse Auktionshäuser, die wegen Rosas guten Rufes in der Branche immer wieder an sie herantraten.
    Die Arbeit an den mysteriösen Mordfällen vor einem halben Jahr hatte sie wieder ins Leben zurückgeholt, und so hatte sie mit Liebhart vereinbart, auch weiterhin auf Abruf für die Polizei zu arbeiten, sobald Kunstgegenstände im Spiel waren, wenn er sie im Gegenzug bei Nachforschungen zu Pauls Tod unterstützen würde.
    Rosa riss sich aus ihren Gedanken, setzte die Katze ab und lief in den ersten Stock, um zu duschen. Es würde am Abend sicher frisch werden, der Sommer hatte noch nicht genügend Kraft, und so entschied sie sich, eine Jean anzuziehen. Sie streifte sich ein zweifärbiges Langarmshirt über und schlüpfte

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