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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
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zur Hand. »›War bei Frau Zehetmair, habe viel erfahren.‹« Sie ließ die Blätter sinken und sah Liebhart an. »Wie alt war die Zehetmair, als sie verbrannt ist?«
    Liebhart stand auf und ging zu seinem Schreibtisch, auf dem sich Akten türmten. Er suchte kurz und kam dann mit einer von ihnen zurück.
    »Ganz schön alt, neunundachtzig Jahre!«
    »Sie war fast eine Zeitzeugin des Ersten Weltkrieges. Vielleicht hat ihr Vater ebenfalls einrücken müssen, unter Umständen hat er nach seiner Rückkehr seiner Familie einiges erzählt. Wer an den Raubzügen beteiligt war, wer sich bereichert hat. Dann hätte Frau Zehetmair dieses Wissen an Andrzej weitergeben können.«
    Liebhart stierte eine Weile vor sich hin, mehr zu sich selbst als zu Rosa sagte er: »Die Toten in dem anonymen Massengrab vom Hang des Leopoldsberges sind vor circa neunzig Jahren gestorben.«
    Rosa versteifte sich. »Also um das Ende des Ersten Weltkrieges herum.« Sie sahen sich ein paar Sekunden an, dann brummte sie: »Was zum Teufel ist in dem Nest passiert?«
    Rosa und Liebhart mussten von Wien aus über die Höhenstraße zum Kahlenbergerdorf, da die Zufahrt über den Hafen wegen Aufräumarbeiten gesperrt worden war. Als sie den Waldbachsteig bergab Richtung Donau fuhren, wären sie beinahe von einer Gruppe Pensionisten gelyncht worden, die sie mit drohend in die Luft erhobenen Stöcken an das absolute Fahrverbot in dieser Straße erinnerten.
    Im Ortskern fuhr Liebhart langsam an dem zerstörten Pfarramt vorbei. Das Brandteam aus Wien, erkenntlich an den weißen Overalls und der professionellen Ausrüstung, war noch bei der Arbeit.
    Sie bogen von der Wigandgasse in den Jungfernsteig ein, eine schmale Straße, die zu den höher gelegenen Häusern führte. Holpernd und staubaufwirbelnd folgten sie nach ein paar Minuten Fahrt einem etwa drei Kilometer langen, schlecht befestigten Weg. Abgeschirmt hinter einem Buchenwäldchen lag, umgeben von einer Baumgruppe, das Grundstück der Zehetmair-Schwestern. Als das Haus noch stand, war seine Lage sicher einzigartig gewesen.
    Liebhart parkte das Auto nahe einem verkümmerten Nussbaum. Sie stiegen aus und näherten sich langsam der Brandstätte. Das Haus war nur noch eine schwarze Grube, aus der wie verfaulte Zähne Teile des Rauchfangs und der Mauern ragten. Heizungsrohre und verschmorte Kabel hingen wie Innereien aus den wenigen noch stehenden Wänden. Das Ausmaß der Verwüstung ließ Rosa den Atem stocken.
    Schurrauer war schon früher hergekommen, um mit Rudolf Schinder, dem Hauptmann der freiwilligen Feuerwehr vom Kahlenbergerdorf, zu sprechen. Der hatte sich an den Stamm einer dicken Eiche gelehnt, seine Arme waren vor der Brust verschränkt, ein Fuß abgewinkelt und gegen den Stamm gestemmt. Er ließ Rosa und Liebhart auf sich zukommen, ohne sich von der Stelle zu rühren. Als Schurrauer sie einander vorstellte, nickte Schinder nur kurz zur Begrüßung, ohne ihnen die Hand zu geben. Er trug eine blaue Latzarbeitshose und Gummistiefel; sie hatten ihn von der Arbeit in seinem Weingarten weggeholt, und er schien darüber alles andere als erfreut zu sein.
    Rosa ging langsam zur Brandstelle, blieb jedoch in Hörweite, um vom Gespräch zwischen Liebhart und Schinder etwas mitzubekommen. Im ehemaligen Keller, der sich im hinteren Teil des Hauses befunden hatte, stand das Regenwasser der letzten Gewitter. Rosa hörte, wie der Feuerwehrmann Schurrauer widerwillig erklärte, dass das Löschwasser abgepumpt worden war, sobald keine Gefahr des Wiederentzündens mehr bestanden hatte. Dann hatte man die Reste des Hauses untersucht.
    Durch eine klaffende Fensteröffnung konnte Rosa in die rußige Grube sehen, in der noch die schwarzen durchweichten Überreste einer Couch standen. Ein geschmolzener Fernseher lag an der westlichen Mauer. Der erste Stock des Hauses war heruntergefallen und mit ihm ein eisernes Bettgestell, das nun, stark verrußt, seine zerstörten Sprungfedern zeigte. Beim ehemaligen Eingang lag ein alter Sicherungskasten mit Porzellansicherungen auf dem Boden und reckte seine geschmolzenen Drähte in den Himmel. Das umliegende Gelände war vom Einsatz der Feuerwehr niedergetrampelt worden. Nur zähe Silberdisteln reckten ihre Köpfe aus dem kargen Gras, das sich wieder zögernd aufgerichtet hatte.
    Das Gespräch mit Rudolf Schinder verlief schleppend. Rosa merkte an Liebharts Stimme, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis ihm der Kragen platzte.
    »Wie waren denn die Wetterbedingungen am Tag

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