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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
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Pfarramt im Erdgeschoss liegt, hatten die beiden keine Sorge, dass jemand in ihrer Abwesenheit einsteigen würde.«
    »Und, ist wer eingestiegen?«
    »Eingestiegen ist niemand, aber der Molotowcocktail wurde reingeworfen.«
    »Hat man dabei jemanden beobachtet?«
    »Das Fenster geht nicht auf die Wigandgasse, die etwas belebter ist, sondern auf eine schmale kleine Nebengasse, die Zwillinggasse, Richtung Hafen hinaus.« Er deutete Richtung Donaukanal.
    Bevor er weitersprach, gab er Rosa einen Schutzhelm und führte sie näher zu den Trümmern. »Hier ist der Sprengsatz detoniert. Die Feuerwehr vom Dorf hatte den Schutt und die verbrannten Schränke weggeräumt, dann hat das Team aus Wien die Arbeiten übernommen. Die Reste des Brandsatzes haben sie genau hier gefunden.«
    Rosa ging in die Knie und sah auf eine sternförmige verkohlte Stelle am Boden. In der Ferne donnerte es leise.
    »Den kann nur jemand hereingeworfen haben, der nicht wollte, dass der Leiter des Pfarramtes und seine Sekretärin getötet werden, und deren Tagesablauf kennt.«
    »Großartig, Miss Marple!« Rosa sah Liebhart das erste Mal seit langer Zeit lachen. »Deswegen kann es nur einer aus dem Dorf gewesen sein.«
    »Und, konntet ihr etwas im Brandbericht dazu finden?« Rosas Frage war eher rhetorisch.
    »Du machst wohl Scherze, oder?«, stieß Liebhart hervor. »Ich habe den Verdacht, die haben auf den paar vorgeschriebenen Formblättern für Brandberichte einfach das Datum und den Ort des Geschehens eingetragen, und damit hatte es sich. Aber du kannst sicher sein, dass sie damit nicht davonkommen. Ich häng ihnen eine Klage an, dass ihnen die Ohren wackeln.«
    »Ist irgendetwas von den Akten erhalten geblieben? Die Geburts- und Sterberegister?«
    Liebhart schüttelte den Kopf. »Wir haben kein Stückchen Papier, das älter als zwanzig Jahre ist, gefunden.«
    »Was sagt der Leiter des Pfarramts dazu, dass keine älteren Dokumente auffindbar sind?«
    »Der kann sich das nicht erklären, ist aber eh nicht besonders redselig. Ich befürchte, die Feuerwehr des Dorfes hat die Unterlagen, die von der Explosion verschont geblieben sind, aus den paar noch unversehrten Aktenschränken entfernt.«
    Rosa sah sich um und zog Liebhart von eventuell Mithörenden weg. Sie zwängten sich durch den Bauzaun und überquerten die Hauptstraße.
    Als sie vor dem ehemaligen Schulgebäude standen, sagte Rosa leise: »Ich bin heute mit Johanna und Ludwig den Waldbachsteig hinaufgegangen und hab ihnen die Unglücksstelle gezeigt. Ludwig kennt das Kahlenbergerdorf recht gut, er hat hier einen Großteil seiner Kindheit verbracht.«
    Eine Windböe verwehte ihre Worte, wirbelte Staub über den kleinen Platz, alte Herren drückten ihre Hüte tiefer ins Gesicht, damit sie nicht weggeweht wurden. Ein Blitz zuckte am Himmel. Liebhart trat näher an sie heran.
    »Ludwig meint, dass am Hang, der durch die Mure abgegangen ist, vorher uralte Bäume gestanden sind, die das Schiefergestein unter anderem davor bewahrt haben, abzurutschen. Irgendjemand hat vor ein paar Wochen diese Bäume fällen und die Wurzeln ausgraben lassen, durch den Regen und die starken Temperaturschwankungen ist daraufhin die Mure abgegangen. Das gesamte Areal gehört dem Stift Klosterneuburg. Entweder es gibt jemanden, dem daran gelegen ist, dass man das Massengrab findet, oder es war tatsächlich ein verdammter Zufall.«
    »Die Leute vom Stift hat Schurrauer schon befragt, leider ohne Erfolg«, erwiderte Liebhart. Er überlegte kurz. »Wir reden morgen mit dem Pfarrer. Müssen wir sowieso, da hier keine Geburts- und Sterberegister mehr zu finden sind. Vielleicht gibt es Unterlagen im Pfarrhaus.« Er sah über den Hauptplatz, über den der Wind wehte und die Rockschöße der Zuschauer hob. »Wäre doch gelacht, wenn wir das Geheimnis von dem verdammten Nest nicht knacken könnten.«
    Die Aufmerksamkeit der Dorfbewohner war für Rosa regelrecht spürbar. Es schien ihr, als ob der ganze Ort seine Ohren spitzte und sie auf ihre Unterhaltung richtete. Und irgendwo war der Mörder und Dieb und wartete vielleicht nur auf einen konkreten Hinweis, um sie beide auch noch abzuschlachten, vielleicht zu verbrennen oder ins Wasser zu werfen.
    Rosa sah sich bedrückt um. Wer war der Täter? Wer versteckte seinen Wahnsinn hinter einem soliden, verschlossenen Alltag? Wie schaffte er es, mit der immer gleichen Monotonie seine Zigarette zu rollen oder Pfeife zu stopfen und sich im Gasthaus nicht zu verplappern? Nicht zu laut zu

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