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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
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der Gemeinde geworden. Soll heißen, ich bin keine Vertrauensperson. Es gibt natürlich immer ein paar Gläubige, hauptsächlich alte, alleinstehende Frauen, die in mir und in diesem Haus ihre einzige Familie haben.« Er stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch. »Trotz der Verschlossenheit der Bewohner verbreiten sich Veränderungen oder Neuigkeiten rasch. Und«, er hob kurz den Zeigefinger, »die Menschen hier sind nicht dumm. Wenn in der Kirche von einem Tag auf den anderen etwas fehlte, dann würde der am Tod von Andrzej Zieliński Schuldige eins und eins zusammenzählen und wissen, dass die Polizei aus Wien ihm auf der Spur ist.«
    »Sie haben also doch eine Idee, woher die Ikonen in Ihrer Kirche stammen?« Liebhart nippte an dem Likör.
    Rosa meinte, eine Bewegung hinter dem ebenerdigen, straßenseitigen Fenster wahrzunehmen, auch Pfarrer Mullner schien sie bemerkt zu haben.
    Er stand auf, ging zum Fenster und sah kurz hinaus. Während er zum Tisch zurückkam, antwortete er. »Ich war, bevor ich meine jetzige Tätigkeit aufgenommen habe, lange in der Flüchtlingshilfe tätig. Wir haben in Italien Afrikaner, die illegal ins Land gekommen sind, verpflegt und sie bei ihren Aufenthaltsansuchen unterstützt. Etwas haben die Bewohner hier mit diesen armen Flüchtlingen gemeinsam: Sie haben Angst.«
    »Wovor, meinen Sie, haben sie Angst?«, wollte Liebhart wissen.
    »Das ist eine gute Frage. Mit dem Trauma der beiden Weltkriege hat das nichts mehr zu tun. Die Menschen haben ihr ganz persönliches Trauma erlitten. Andrzej Zielińskis Fragen haben mich nachdenklich gemacht. Ich unterstehe der heiligen römischen Kirche.« Er stand auf und ging zu einem Bücherregal. »Meine Loyalität gilt in erster Linie dem Papst.« Er zog ein mit altem dunkelbraunem und brüchigem Leder eingebundenes Buch aus dem Regal. Rosa konnte die Aufschrift erkennen: »1890 bis 1920«.
    »Ich habe als Pfarrer einen Eid abgelegt.« Er blätterte stehend in dem Buch. »Der römisch-katholischen Kirche gehören weltweit etwa 1,13 Milliarden Menschen an, denen ich als Teil dieser Institution ergeben dienen darf.«
    Er entnahm dem Buch ein zusammengefaltetes Blatt, warf noch einmal einen Blick aus dem Fenster und ging dann an den Tisch zurück.
    »Nachdem ich meine Ausbildung beendet hatte, wurde ich auf eigenen Wunsch nach Afrika geschickt. Ich bin dort hingesandt worden, um den Glauben der Menschen zu festigen und die Morallehre der Kirche auf diesem Kontinent durchzusetzen.« Der Pfarrer setzte sich und legte die Unterarme flach auf den Tisch.
    Das zusammengefaltete Blatt Papier verschwand unter seinen Handflächen, er lächelte Liebhart und Rosa an.
    »Die katholische Kirche nimmt im Bezug auf Sexualität, lebenslange Treue und Fortpflanzung eine eindeutige Position zur Empfängnisverhütung ein, selbst wenn Krankheiten übertragen werden können. Ich kann diese Haltung als ihr Stellvertreter nur begrüßen. Ebenso wie ich aus tiefster Seele davon überzeugt bin, dass sich der Missbrauchsvorwurf gegen katholische Pfarrer in unserem Land als Hirngespinst herausstellen wird.« Er schob das Blatt Papier mit diesen Worten zu Liebhart.
    »Die absolute Loyalität zur katholischen Kirche und zu meiner Gemeinde gehört zu meinen allerersten Pflichten. Dass ich in der ersten Woche meines Dienstes hier mein Auto in einem nahen Weingarten auf dem Dach liegend wiedergefunden habe oder dass man meinen Hund ersäuft und mir das tote Tier vor die Tür gelegt hat«, sein Gesicht verhärtete sich, »habe ich schon damals zwar als großen Verlust, aber auch als Opfer im Dienste des Herrn gesehen. Ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen. Ich bedaure den Tod von Andrzej Zieliński sehr, möge seine arme Seele Ruhe finden.«
    Liebhart steckte das Papier kommentarlos ein, der Pfarrer stand auf und begleitete die beiden noch zur Tür.
    »Wir werden die Ikonen in Ihrer Kirche vorerst nicht beschlagnahmen.« Mit diesen Worten streckte Liebhart dem Pfarrer die Hand entgegen. Der nahm sie freundlich und drückte sie. »Eine kluge Entscheidung. Hab ich mir gleich gedacht, dass Sie nicht von ungefähr Chefinspektor sind.«
    Bevor sie ins Auto stiegen, drehte sich Rosa noch einmal um. »Mir ist aufgefallen, dass einige alte Bäume am Hang des Leopoldsberges gefällt worden sind, dort, wo die Mure abgegangen ist. Der Grund gehört der Kirche. Wissen Sie, wer für die Abholzung verantwortlich ist?«
    »Sicherlich, ich hab den Auftrag dazu gegeben«, sagte der Pfarrer

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