Wienerherz - Kriminalroman
verschiedene Bereiche, die einfach 1, 2, 3, 4 und 5 benannt und jeder in einer anderen Farbe markiert waren. Der Abgleich mit Dorins Adressverzeichnis wird kein Vergnügen, dachte Freund.
Noch einmal studierte er den Abschiedsbrief.
»Es tut mir leid. Florian«.
Mehr nicht.
Den Zettel mit der Notiz » CD 1934« holte Freund gar nicht aus dem kleinen Sackerl. Er wendete es hin und her, dachte daran, wie viele Zettel mit Notizen, gebrauchte Fahrscheine oder leere Kaugummipapierln er selbst in seinen Jacken- und Hosentaschen spazieren trug, legte es wieder hin.
Erst als die beiden Papiere so nebeneinanderlagen, fiel Freund auf, dass die Handschrift nicht dieselbe war.
Marietta Varics und Lukas Spaziers Fall der Frau mit der zerschlagenen Flasche hatte sich zu unglücklicher Eindeutigkeit gewendet. Der Mann war in der vergangenen Nacht gestorben. Die Frau musste laut Staatsanwältin mit einer Anklage wegen Totschlages rechnen. Für Varic und Spazier war die Sache vorläufig abgeschlossen.
Freund unterrichtete sie zum Fall Florian Dorin. Marietta Varic übergab er die Liste mit den Anrufen und E-Mails von Dorins Telefon. Außerdem sollte sie beim Untersuchungsrichter eine Rufdatennachverfolgung von Dorins Telefonaten erwirken. Spazier sollte versuchen, Dorins Kalender durchzuschauen.
»Was ist das?«, fragte Spazier und hielt das Säckchen mit der Notiz hoch.
»Aus Dorins Hosentasche.«
Spazier legte das Stück zurück.
»Eine andere Handschrift als der Abschiedsbrief«, bemerkte er.
»Ist mir auch aufgefallen«, sagte Freund.
» CD . Compact Disc?«
»Vielleicht. Wahrscheinlich.«
»Ein Haus, ein Schloss«, bemerkte Spazier. »Würde mich nicht wundern, wenn er auch noch einen Sommersitz und eine Jacht hatte. Willst du das alles untersuchen? Besuchen? Die Spurensicherung hinschicken? Wir machen da ein Riesenfass auf für einen mutmaßlichen Selbstmord.«
Dieser Gedanke war Freund auch schon gekommen, und er hatte kein gutes Gefühl dabei. Irgendwann würde der Untersuchungsrichter den Aufwand zu hoch finden und die Notbremse ziehen. Wenn sie nichts fanden.
»Vielleicht schicke ich dich ja zum Sommersitz oder auf die Jacht.«
»Ich bitte darum.«
Gemeinsam fuhren sie zu Florian Dorins Haus. Bei sich hatten sie einen Mann vom Schlüsseldienst. Sicherheitshalber läuteten sie. Aus der Gegensprechanlage schepperte die Stimme einer Frau. Sie ließ die Beamten ein.
Hinter den hohen Mauern öffnete sich ein Garten mit viel Rasen, Kies und Bambus. An der Tür wartete eine ältere Frau im Kittel.
Als Freund sich vorstellte, lachte sie.
»Dä Bollezäh, däi Fräind und Höhffa!«
Deutsche TV -Anstalten würden ihre Worte untertiteln: »Die Polizei, dein Freund und Helfer.«
»Wie oft in der Woche sind Sie da?«, fragte Freund.
»Alle zwei Tage«, antwortete sie in einem Dialekt, den selbst Freund schwer verstand. »Ich mache auch die Wäsche und die Einkäufe.«
»Haben Sie beim letzten Mal Herrn Dorin gesehen?«
»Kurz. Weshalb?«
Sie wusste noch nicht, was geschehen war.
»Wirkte er irgendwie anders als sonst?«
»Sie stellen Fragen. Ist etwas passiert?«
»Herr Dorin ist tot. Er hat sich das Leben genommen.«
Sie erbleichte, wankte. Freund stützte sie und führte sie zu einem Stuhl.
»Wann hat er …? Wie furchtbar!«
»Vorgestern Nacht. Wann haben Sie ihn denn gesehen? Morgens? Nachmittags?«
»Wiari kumma bin.« – »Als ich gekommen bin.«
»Wie lange sind Sie geblieben?«
»Wie immer, bis um sechs.«
»Und während dieser Zeit sind Sie ihm nicht mehr begegnet?«
»Nein.«
»Bleiben Sie bitte noch. Wir werden ein paar Fragen an Sie haben.«
Das Haus hatte drei Etagen. Im Erdgeschoss lag ein riesiges Wohnzimmer mit Glasfronten in den hinteren Gartenteil, Küche, Bad, Toilette, Abstellraum, vom Vorzimmer gelangte man auch in die Garage.
Im ersten Stock zwei Schlafzimmer, eines davon mit begehbarem Schrank, noch ein Bad, ein Arbeitszimmer und ein Raum mit Fitnessgeräten. Ganz oben drei weitere Schlafzimmer und wieder ein Bad. Das Schrankzimmer im ersten Stock enthielt Männerkleidung. Die oberen Schlafräume wirkten wie Jugendzimmer, mit Postern von Musikern, Sportlern und Pferden an den Wänden. Für jedes Kind eines, vermutete Freund. Im ganzen Gebäude herrschte penible Ordnung und Sauberkeit, ohne Zögern hätte man die Fotografen eines Wohnmagazins einlassen können. Sie teilten sich auf. Freund übernahm den ersten Stock. Das Arbeitszimmer wirkte nicht besonders benutzt,
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