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Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Titel: Wieweitdugehst - Wieweitdugehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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manchmal mit ihrem Mann. Sie hielt ihr eigenes Handy an ihr eines Ohr, Berts Handy an ihr anderes. Nur ein paar Minuten. Bis die Scham zu groß wurde und sie beide Telefone weglegte.
    Sie sollte wieder in der Apotheke arbeiten. Wenigstens für ein paar Stunden die Woche. Um etwas zu tun zu haben. Neta redete ihr zu. Du bist Apothekerin, die können dich brauchen. Liliana trank von ihrem Kaffee. Stark, schwarz, ungesüßt. So mochte sie ihn.
    Von Berts unehelichem Sohn hatte sie erst erfahren, als das Kind eingeschult wurde. Ihr Mann hatte ein Doppelleben geführt, und sie hatte nichts gemerkt. Sie wusste sogar, welcher ihrer gemeinsamen Freunde Bert und diese Frau miteinander bekannt gemacht hatte. Auch ein Apotheker. Eugen. Sie hatte mit ihm Pharmazie studiert. Ein netter Kerl, den sie länger kannte als Bert. Der auch jetzt ab und zu bei ihr vorbeisah, sie fragte, ob sie etwas brauchte, ob er etwas für sie tun könnte. Der ihr Auto zum Kundendienst brachte und neue Glühbirnen in die Fassungen schraubte. Sie freute sich über jeden Besuch, jeden Telefonanruf. Früher hatten Unterbrechungen sie gestört. Sie war immer so beschäftigt gewesen. Doch nun, da sie allein war, war sie dankbar für jeden Kontakt mit der Außenwelt.
    Sie musste sich um den Garten kümmern. Die Astern verblühten. Die Kirschbäume mussten ausgeschnitten werden. Sie konnte sich nicht erinnern, zu welcher Jahreszeit man das machte. Immer hatte Bert sich darum gekümmert. Sie musste Eugen fragen.
    Eugen also hatte Bert dieser Frau vorgestellt. Sie hatte einen Job gesucht, und Eugen war der Meinung gewesen, Bert mit seinen Kontakten könne etwas für sie tun. Eine simple Sekretärin. Liliana weigerte sich immer noch, ihren Namen auszusprechen. Diese Frau. Die mir meinen Mann weggenommen hat.
    Bert und diese Frau begannen eine Affäre. Nach seinem Tod hatte Liliana ihre Hausschlüssel in Berts Jacke gefunden. Er war immer noch zu ihr gegangen. Hatte vielleicht sogar ihr Haus bezahlt. Bert hatte gut verdient, sehr gut.
    Nach der Einschulung des Jungen, als sie herausgefunden hatte, was lief, war Liliana zu dieser Frau gefahren. Hatte sie sehen wollen. Eine demütigende Situation, aber Liliana hätte es als demütigender empfunden, sich zu verstecken.
    Diese Frau war schlank, schick frisiert, mehr als zehn Jahre jünger, 20 Kilo leichter als Liliana.
    Seufzend ließ Liliana sich auf einen Gartenstuhl sinken. Die Worte dieser Frau hallten in ihren Ohren, obwohl ihr einmaliges Zusammentreffen schon sieben Jahre her war: »Als Bert nur Sie hatte, kam er zu mir. Aber nach mir hat er keine andere Frau mehr gehabt.«
    Brennende, schmähende Worte. Liliana hatte Neta davon erzählt. Neta hatte sie in den Arm genommen und getröstet.
    Liliana sah an sich herunter. Sie war rund, ihr Haar wurde langsam grau und sie weigerte sich, es zu tönen. Allein wegen der Umstände; sie fürchtete den Aufwand, ihr langes, dickes Haar zu färben. Auf stundenlange Friseurbesuche hatte sie keine Lust. Deswegen trug sie seit ihrem 20. Lebensjahr das Haar lang, band es zu einem Zopf oder steckte es hoch.
    Neta. Liliana stellte die leere Tasse auf den Gartentisch und stützte den Kopf in die Hände. Irgendein Engel musste ihr Neta geschickt haben. Sicher, es waren ihre Freundinnen gewesen, die zusammengelegt und die Geschichtenerzählerin für sie bestellt hatten. Aber im tiefen Inneren wusste Liliana, dass eine andere, höhere Kraft ihre Freundinnen gelenkt hatte. Sie hatten etwas ausgeführt, was Liliana Gottes Willen nannte, auch wenn sie nicht religiös war. Womöglich hatte einmal in ihrem Leben ihr Engel mit den Flügeln geschlagen. Neta bannte die Einsamkeit. Diesen brennenden Schmerz. Ihre Geschichten machten die scharfen Klingen stumpf, die Liliana ins Herz schnitten. Neta versuchte nie, ihr die Trauer auszureden. Nicht wie die wohlmeinenden Nachbarinnen, die in den ersten beiden Wochen nach Berts Tod Verständnis vorschützten, aber dann Dinge sagten wie: Das Leben geht weiter.
    Natürlich ging das Leben weiter, aber es schmerzte, es tat so verdammt weh, jeder Tag war eine schreckliche Aufgabe, an keinem Morgen war sie sicher, ob sie bis zum Abend durchhalten würde.
    Wenn Neta kam, war das anders.
    Manchmal verbrachte sie ein paar Tage und Nächte bei Liliana. Sie saßen dann bis in die frühen Morgenstunden am Küchentisch. Redeten oder schwiegen gemeinsam. Mit Neta war das Schweigen leicht. Liliana brauchte sich nicht in der fieberhaften Suche nach Worten

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