Wigges Tauschrausch
an.
Irgendwie spricht mich nichts von dem Angebotenen wirklich an. Ich werde das Gefühl nicht los, dass mich ein paar nett gemeinte lokale Tauschprodukte einfach nicht weiterbringen, wenn ich meinem Ziel näher kommen will.Zum ersten Mal auf dieser Reise mache ich mir Gedanken über mein bisheriges Tauschverhalten. Ich habe mich in einem Rekordtempo von nur zehn Tagen neun Mal hochgetauscht und dadurch eine beachtliche Wertsteigerung erreicht – vom angebissenen Apfel zum Kickertisch, sicherlich eine Steigerung des Wertes um das 300-Fache. Irgendwie war es bisher immer einfach Zufall, dass das eingetauschte Objekt mehr wert war als mein Einsatz, und ich kann schließlich nicht immer einfach davon ausgehen, dass mein Gegenüber akzeptiert, etwas zu bekommen, was weniger wert ist als sein Angebot. Hier scheint jetzt der Punkt gekommen, an dem ich derjenige sein werde, der weniger erhält, als er einsetzt. Ich werde das erste Mal auf meiner Reise Nein sagen müssen. Im Vorfeld habe ich mir einfach keine Gedanken darüber gemacht, wie ich mit so einer Situation umgehen soll, ohne dabei jemanden vor den Kopf zu stoßen. Als ich den Anwesenden erkläre, dass es mein Ziel ist, mich kontinuierlich hochtauschen zu wollen, um mir einen unerreichbar geglaubten Traum zu erfüllen, reagiert die kleine Gruppe auf dem Parkplatz mit betroffenem Schweigen. Diese Art des Tauschens scheint nicht den Vorstellungen des Tauschrings zu entsprechen. Ich versuche die Stimmung aufzuheitern, erkläre und witzele und erkläre und witzele, schüttele schließlich jedem Tauschringmitglied entschuldigend die Hand, aber ich kann die Situation nicht mehr retten und verlasse den Parkplatz mit einem unguten Gefühl in Richtung Schweiz.
Als ich auf der Weiterfahrt eine Passhöhe überquere, kommt mir beim Anblick einer Wandergruppe, die sich aus den Bergen nähert, eine Idee. Ich hole inmitten des Frühlingsschnees den Kickertisch aus dem Transporter. Dann baue ich mich neben dem Tisch auf und werfe den Wanderern herausfordernde Blicke zu. Ich ernte zwar einigehumorvolle Kommentare, aber der Großteil der Gruppe versucht die ungewöhnliche Szene im Schnee diskret zu ignorieren. Doch dann entschließt sich Kameramann Dominik, mir in einem Höhenkickerduell entgegenzutreten. Er zieht mich im rutschigen Schnee gnadenlos ab. Trotz der Niederlage bin ich in diesem Moment froh, den Kickertisch behalten zu haben. Ich muss an Hermann denken und merke, dass es doch oft eher der gefühlte Wert einer Sache ist, die sie kostbar macht, und wie unwichtig in diesen Momenten ihr materieller Wert erscheint.
D ie Schweiz
A n der Schweizer Grenze macht der Zollbeamte eine Kopfbewegung, die mich veranlassen soll, ihm zu erklären, was ich transportiere. Ich hatte ausreichend Zeit, mich auf diesen deutsch-schweizerischen Erstkontakt vorzubereiten. Selbstbewusst blicke ich ihm in die Augen und teile ihm mit, dass es sich um ein Töggerlichaschte handelt. Doch offensichtlich hätte ich meine Beschäftigung mit dem Schweizerdeutschen noch ein wenig intensivieren sollen, denn meine Aussprache scheint dermaßen undeutlich, dass der Beamte nur die Stirn runzelt und diese unangenehme Kopfbewegung macht, die man schon mal bei jungen Männern in Berliner Problemvierteln sieht und die eine Aufforderung ist, ihnen das Portemonnaie zu übergeben. Mein Selbstvertrauen sinkt, und nach einer letzten halblauten Wiederholung der Vokabel scheint der deutsch-schweizerische Austausch beendet zu sein. Nachdem der Beamte sich mit eigenen Augen davon überzeugt hat, was sich hinten im Transporter befindet, versichert er sich bei einem Kollegen, dass ein Kickertisch nicht mehr als 500 Franken wert ist. Dann winkt er mich ohne weiteren Augenkontakt durch.
In der Schweiz angekommen, biete ich Passanten aus dem fahrenden Transporter heraus den Töggerlichaschtean (inzwischen habe ich an meiner Aussprache gefeilt), finde aber wenig Anklang. Ob ich wohl doch noch nicht genug geübt habe?
Schließlich verweist mich eine Passantin an den örtlichen Gasthof, der Wirt dort soll angeblich fürs Tauschen aufgeschlossen sein. Leider treffe ich den Wirt nicht an, ich muss also weiter improvisieren. Erstaunt bemerke ich, dass an einer Wand im Gasthof eine Reihe Bilder hängen, auf denen offensichtlich Ufos zu sehen sind. Auf meine erstaunte Nachfrage hin erklärt mir eine Nachbarin, dass das Nachbarhaus einem Verein gehört, der sich mit Ufo-Sichtungen befasst. Ufo-Sichtungen klingt gut, schließlich
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