Wigges Tauschrausch
südindischen Bundesstaat Kerala. Die Taxifahrt vom Flughafen zum Hostel lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass ich in Indien angekommen bin. Der Fahrer rast mit achtzig Sachen durch die engen Straßen der Stadt, hupt alles zur Seite, was sich nur irgendwie bewegen kann. Er reißt das Lenkrad wild von links nach rechts, um auch noch die letzte Millisekunde aus dieser Hetzjagd ohne Verfolger herauszuholen. Ich sitze total geschockt auf der Rückbank und bitte ihn, sich zu beruhigen, schließlich habe ich noch einen ganzen Monat Zeit, durch Indien zu reisen. Da kommt es nun wirklich nicht darauf an, dass ich eine Minute früher im Hostel bin. Der Fahrer grinst mich freundlich an und setzt dann zusätzlich noch die Lichthupe ein: Tak Tak Taktaktak Tak. Immer wieder nimmt er mit dem Fernlicht gezielt morgendliche Passanten ins Visier, so dass ich im Sekundentakt kurze überbelichtete Schnappschüsse von Menschen mit weit aufgerissenen Mündern und Augen vor mir sehe, die dem Turbotaxi im letzten Moment ausweichen. Und weiter geht’s: Hupe – Lichthupe – Hupe – Hupe – linke Straßenseite – rechte Straßenseite – Doppelhupe – Doppellichthupe zusammen mit Doppelhupe. Dann drückt der Fahrer ein letztes Mal richtig aufs Gaspedal, und ich steige total erschöpft und verängstigt vorm Hostel aus dem Wagen. Was war das? Ein dummer Zufall, ein betrunkener Taxifahrer oder der ganz normale Wahnsinn in Indien?
Ich bleibe ungefähr eine Woche im sogenannten Fort Kochi, dem Stadtteil, der 1503 von portugiesischen Kolonialherren errichtet und später von Holländern und Engländern erweitert wurde. Viele christliche Kirchen, mondäne Kolonialbauten und Erinnerungsstätten an alte Eroberer wie Vasco da Gama prägen auf der kleinen Halbinsel noch heute das Bild der Stadt, in der gleichzeitig das wilde, indische Straßenleben tobt.
Es sind immer und überall Menschen auf der Straße. Viele sind auf dem Fahrrad unterwegs, viele auf Tuk Tuks (motorisierten Dreirädern, die oft als Taxis genutzt werden), man sieht geschäftige Händler und Fischer. Ich fühle mich sofort wohl, da die Stimmung trotz der großen Hitze so entspannt ist. Wie oft hatte ich im Vorfeld Freunde von aufdringlichen Indern erzählen hören, die einen mit ihren hartnäckigen Serviceangeboten regelrecht in den Wahnsinn treiben. Aber meiner Taxifahrt zum Trotz, scheinen gegenseitiger Respekt und Freundlichkeit hier überall im Vordergrund zu stehen, auch wenn man als Europäer mit einem Holzschlitten und einer Handwaschmaschine durch die Straßen zieht.
Mit dem Tauschen will es aber dennoch nicht so recht klappen. Ein Fischer im Hafen von Fort Kochi holt mit seinen Kollegen gerade die großen Netze ein, die an einer 15 Meter hohen Holzkonstruktion befestigt sind und über lange Stangen ins Wasser gelassen werden. Eine sehr traditionelle Art des Fischfangs, die hier noch praktiziert wird. Ich zeige dem Fischer mein Tauschobjekt, und er versteht mein Anliegen sofort, obwohl wir nicht die gleiche Sprache sprechen. Den Fisch von zehn Zentimeter Länge, den er mir zum Tausch anbietet, lehne ich allerdings dankend ab und ziehe weiter, um großzügigere Tauschpartner zu finden: Tuk-Tuk-Fahrer, Stoffverkäufer, Restaurantbesitzer und Passanten. Alle wiegeln ab oder können mir keinen äquivalenten Gegenwert bieten.
Ich bewerbe meine Sachen nach allen Regeln der Kunst, blättere mit Passanten durch das Ufo-Buch und zeige ihnen die Fotos der fliegenden Untertassen über den Schweizer Bergen, halte den laserbestrahlten Stein in die Höhe wie ein kostbares Heiligtum und wende die Augen dabei zum Himmel. Schließlich setze ich mich am steil abfallenden Sandstrand von Fort Kochi auf den Holzschlitten und stürze mich vor den Augen von etlichen verwunderten Indern in die Tiefe. Auch als Surf-Gleiter im nassen Sand macht der Schlitten keine schlechte Figur. Und die Menschen, die bei meinen wunderlichen Aktivitäten anwesend sind, schauen schweigend zu, verwundert, aber interessiert. Wahrscheinlich denken sie einfach, dass ein Europäer ja wissen müsse, was man mit einem Schlitten am Strand so anstellt.
Doch was ich auch auf die Beine stelle, die Inder scheinen abgeklärte Geschäftsleute zu sein. Ein Teppichhändler erklärt mir kurz und bündig, dass ein Schlitten bei 35 Grad im Schatten zu nichts nütze sei, er den Ufo-Bildband für eine Fälschung halte und der Stein aus Deutschland keinen Seltenheitswert besitze, da die Europäer schon vor Jahrhunderten
Weitere Kostenlose Bücher