Wigges Tauschrausch
Unmengen an Steinen für ihre Bauten aus Europa importiert hätten. So viel Abgeklärtheit hatte ich nicht erwartet.
Mir bleibt nur ein Lichtblick: die Handwaschmaschine. Sowohl der Teppichhändler als auch viele Passanten finden großen Gefallen an dem Gerät. Sie möchten seine Funktionsweise ganz genau verstehen und drehen interessiert an der Handkurbel. Bei meinen Gesprächen wird mir klar, welch hohe kulturelle Bedeutung Waschen in Indien hat. Selbst wenn teilweise noch traditionell mit der Hand oder im Fluss gewaschen wird, sieht man auf der Straße fast nur Menschen in frischer Kleidung, die wunderbar duftet. In diesem dichtbevölkerten Land mit seinen 1,2 Milliarden Menschen (1200000000 Einwohner, das sind 15-mal so viele Menschen wie in Deutschland leben) kann man die Einheimischen in den großen Menschenansammlungen nämlich ganz unauffällig beschnüffeln, und alle riechen angenehm. Ich dagegen komme mir immer schmuddeliger vor. Die meisten Menschen müssen sich bei der großen Hitze alle paar Stunden duschen oder waschen. Ich dusche jedoch nur einmal am Tag und fühle mich abends immer schrecklich unwohl, denn spätestens drei Stunden nachdem ich aus der Dusche komme, rieche ich schon wieder Schweiß an mir und entdecke erste Spuren auf meiner Kleidung. Nicht so bei den Indern: guter Geruch, saubereKleidung, und das bei dieser Hitze und Luftfeuchtigkeit. Es kann gar nicht anders sein: Hier wird mehr als einmal am Tag gewaschen und die Kleidung gewechselt! Eine Handwaschmaschine muss somit einen echten Wert besitzen. Also werde ich alles auf diese Karte setzen.
Als ich im Gewühl von Fort Kochi gerade mit dem Holzschlitten einen Kieshaufen heruntergefahren bin und unten ein wenig unelegant ankomme, sehe ich einen Holzverschlag, der mich an einen kleinen Kiosk erinnert. An Metallhaken hängen große Stücke rohes Fleisch, die unter der sengenden Sonne verkauft werden. Ich biete dem Verkäufer meine Sachen an und frage ihn, ob er sie mir gegen das größte Stück Fleisch eintauschen würde. (Ich gebe zu, dass diese Entscheidung eventuell aufgrund der unglaublichen Hitze entstanden sein könnte …) Während wir uns immer tiefer in einem kommunikativen Wirrwarr verstricken, haben sich 15 bis zwanzig indische Männer um mich geschart und reden wild auf mich ein, in Sprachen, die ich nicht verstehe.
Dann stellt sich heraus, dass einer der Männer, Amber, ungefähr vierzig Jahre alt und natürlich in eine saubere Stoffhose und ein blendend weißes Hemd (ohne Schweißflecken) gekleidet, gut Englisch spricht. Wie selbstverständlich beginnt er zwischen mir und dem Fleischverkäufer zu vermitteln. Er nimmt die von mir angebotenen Sachen noch einmal genau unter die Lupe. Das Taschenmesser bekommt sein Okay, den Sinn des Ufo-Werbematerials kann er nicht nachvollziehen, aber wie erwartet reizt ihn die Handwaschmaschine. Ich hocke mitten in der aufgeregten Männerrunde auf der viel befahrenen Straße, kurbele an der Handwaschmaschine und ergehe mich dabei in großartigen Erklärungen: »Look, this is so good, cleanest clothespossible, my friend. This is best handwashing machine in Germany. You are always clean!«
Ich komme mir total albern vor, plötzlich Handwaschmaschinen in Indien anzupreisen und währenddessen auf dem Boden zwischen hupenden Tuk Tuks und großen, rohen Fleischbrocken zu hocken. Aber die gute Stimmung, die unter den Männern ausbricht, rechtfertigt mein Vorgehen. Die Männer lassen sich mitreißen, alle probieren die Handwaschmaschine aus, lachen, reden. Ich lege nach, erkläre und führe ihnen fünf zusätzliche Einsatzmöglichkeiten der Handwaschmaschine vor.
Handwaschmaschine als Plastikhandtasche: Ich hänge mir den Bügel, auf dem die Handwaschmaschine steht, an den Arm und stolziere ladylike an den Männern vorbei.
Handwaschmaschine als tragbares Aquarium: Ich fülle die Handwaschmaschine mit Wasser und werfe stellvertretend für den Goldfisch eine Möhre hinein. Alle Männer schauen mich verständnislos an.
Handwaschmaschine als Lostrommel: Ich werfe ein paar Zeitungsschnipsel in die Waschmaschine und ziehe dann Lose.
Handwaschmaschine als Suppentopf: Ich fülle sie mit Wasser und Gewürzen und führe ihnen eine Kochprozedur ohne Feuer vor.
Handwaschmaschine als Flaschenpost: Ich werfe die geschlossene Handwaschmaschine vor den Augen der Männer ins Meer.
Noch bevor ich das Aufklatschen im Wasser höre, weiß ich, dass ich einen Schritt zu weit gegangen bin. Ich habe mein kostbarstes
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