Wigges Tauschrausch
Hausmädchen höflich empfangen, als plötzlich ein deutscher Mittvierziger, der Frank Zander verdächtig ähnlich sieht, laut über den Balkon ruft:
»Ach, der Tauschkönig ist schon da, und gleich zu früh, du solltest wissen, dass der Armin so etwas gar nicht mag!«
Ich gehe die Treppen zum Party-Areal hinauf und bekomme meine zweite Abfuhr, als ich dem Frank-Zander-Lookalike die Hand zur Begrüßung schütteln möchte.
»Aha, der Tauschkönig hält es wohl nicht für nötig, auf dem teuren Boden seine Schuhe auszuziehen!«
Ich bin ziemlich verunsichert. Zwar begleitet Armin dies alles mit überlautem Gelächter, aber selbst wenn das alles als Witz gemeint sein sollte, kann ich darüber nicht lachen.
Kurz darauf trudeln ungefähr zehn Gäste ein, alles Deutsche. Ein Sammelsurium aus deutschen Althippies wie Michel, deutschen Kurzzeitaussteigern wie dem Bodybuilder Uwe und seinem Rugby-Kollegen Roger und deutschen Indien-Auswanderern wie Christine, die seit zwanzig Jahren in Indien soziale Hilfsprojekte organisiert und mir von ihrer Jugend in Deutschland erzählt, die sie teilweise auf der Straße verbracht hat. Dazwischen Armin und wieder Armin, der alle Gäste durch das großzügige Haus mit den statusbewussten Möbeln aus verschiedenen Ländern führt, wobei er betont, was er gerade alles neu angeschafft hat. Zur Krönung holt er einen besonders alten Wein aus dem Schrank und moderiert diesen vor den Gästen so reißerisch an, dass schließlich alle ganz dankbar auf Armin anstoßen.
Ich setze mich neben Armin, um unserem Austausch trotz des gewöhnungsbedürftigen Starts eine Chance zu geben. Bevor ich meinen ersten Satz aussprechen kann, fährt mir Armin über den Mund, wobei er sich aus einem aufwendig geschnitzten Mahagoni-Sessel zu mir vorbeugt. Laut, so dass alle Gäste es auch mitbekommen, fragt er:
» Sag mal, bist du eigentlich auf Facebook?
»Ja, klar. Warum?«
»Weil die Typen auf Facebook total bescheuert sind.«
»Warum?«
»Die machen sich zum Sklaven von Facebook, alle ihre Daten sind überall.«
»Ich weiß, dass es nicht ganz unproblematisch ist, wie Facebook mit dem Datenschutz …«
»Hör auf zu quatschen, total bescheuert, das biste!«
Nach diesem Gespräch ist klar, dass hier heute Abend bestimmt kein Tuk Tuk mehr getauscht wird, aber leider ist der Zenit von Armins Verachtung noch nicht überschritten. Kurze Zeit später sitze ich neben Christine, die mir gerade über ihr Aussteigerleben in Indien erzählt, als Armin mich auffordert, aufzustehen, da er mit Christine reden wolle.
»Lass den Chef auf seinen Sessel!«
Ich stehe auf, um einen Rausschmiss zu vermeiden, zu sehr interessieren mich die absurden Szenen, die hier ablaufen. Ich sage mir leise,dass ich nichts persönlich nehmen muss, dass derTauschrausch nur ein Spiel ist und dieses hier nicht meine Freunde sind.So komme ich mit der nötigen Distanz durch den Abend und beobachte, wie man sich definitiv nicht als Deutscher im Ausland verhalten sollte.
Armin zeigt seinen drei indischen Dienstmädchen und auch dem Großteil der Gäste immer wieder, wer hier das Geld und somit das Sagen hat. Selbst seinen Kumpel Achim belehrt er lautstark vor allen Gästen.
»Du bist immer zu gut zu den Menschen, so kommst du nie weiter!«
Achim grinst eingeschüchtert, versucht ihm aber Paroli zu bieten.
»Ja, Hauptsache, bei Armin redet immer nur einer.«
Ich höre zu, wie sich ein älteres Hippie-Pärchen, so um die sechzig und aus München stammend, lallend unterhält.
»Krasse Party, gestern, Mann, was waren wir breit.«
»Ja, voll cool!«
Ich kenne diese Unterhaltungen zur Genüge von mir und meinen Freunden, als wir Anfang zwanzig waren. So etwas aus dem Mund potenzieller Großeltern zu hören kommt mir allerdings vor, als hätte da eine gewisse Entwicklung nicht stattgefunden.
Eine Mutter mit ihren beiden pubertierenden Kindern sitzt neben mir. Irgendwann dreht sie sich einen Joint und geht mit den beiden Kids zum Kiffen auf Armins neuen Balkon. Kurze Zeit später liegt eine der Töchter mit ihrem Freund knutschend im Nachbarzimmer auf dem Bett. Michel empört sich und sagt zu Armin, dass er diese Orgie im Nachbarzimmer nicht akzeptieren würde. Armin lacht laut.
»Lass sie Spaß haben, wir wollen doch alle Spaß. Außerdem sind Swinger-Clubs noch immer der beste Ort für einen echten Austausch.«
Dabei lacht er zynisch zu mir herüber als Anspielung auf mein Gerede vom Tauschen und Austausch. Ich kontere und will ihm
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