Wigges Tauschrausch
indische Familien an, zeige ihnen den Tee und das Hawaii-Hula-Hula-Bild mit Blumenrahmen. Die Reaktionen sind äußerst verhalten, und ein höfliches Grinsen signalisiert mir, besser weiterzugehen. Zwei einsame Backpackerinnen in dem Zug mit seinen dreißig Wagons verstehen zwar meine Story und finden sie lustig, aber mehr als eine 2-Euro-Münze können sie mir nicht bieten.
Tuk-Tuk-Mania
Nach einer 32-stündigen Fahrt steige ich erschöpft in Magao im Bundesstaat Goa aus dem Zug und werde von einer Horde Tuk-Tuk-Fahrer empfangen, die mir alle ihre Gefährte zeigen wollen. Ich lasse mich auf ein wildes Gespräch in Superlativen mit ihnen ein. Natürlich ist das eigene Tuk Tuk immer das beste. Die Fahrer erzählen mir, dass jedes Tuk Tuk einen Namen hat, »Linda« oder »Krishna« oder auch »Mahandra«. Ich muss einmal mehr an Hermann denken, wie selbstverständlich auch ich dem Rasenmäher einen Namen gegeben habe, und wie viel Spaß ich mit dem frischgetauften Hermann hatte.
Und plötzlich weiß ich auch, was ich will. Ich möchte auch so ein Tuk Tuk besitzen! Es wird mir helfen, wenn ich ein konkretes Ziel auf meinem Weg nach Hawaii vor Augen habe. Ich werde nicht mehr wahllos dies oder jenes annehmen, ich werde diesen Beutel Tee gegen ein Tuk Tuk tauschen. Alle anderen Angebote lehne ich einfach dankendab. Ja, unter einem Tuk Tuk werde ich es nicht machen! Mit diesem Ziel vor Augen bleibe ich eine Woche lang in Anjuna, der Hippie-Enklave in Goa. Angeblich sollen heute noch viele Aussteiger hier leben, googelt man unter Anjuna, findet man noch etliche Fotos von Gruppen nackter Hippies, die sich hier haben ablichten lassen. Inzwischen weiß ich auch schon, wie es nach dem Tuk Tuk weitergeht Wenn ich das Gefährt erst einmal mein Eigen nenne, werde ich es zum Hippiemobil aufstylen und dann einem dieser Aussteiger zum Tausch gegen etwas Wertvolleres anbieten.
Als Erstes treffe ich Mark, einen indischen Journalisten in den Fünfzigern, der in einem roten Haus neben meinem Hostel wohnt. Die Verkäuferin im Laden an der Ecke hatte auf das Haus gezeigt, als ich sie fragte, wem das alte Tuk Tuk an der Ecke gehöre. Jetzt stehe ich vor Marks Tür, und laute Pink Floyd-Musik schallt durch die Tür. Super, denke ich. So ein Typ hat bestimmt Lust auf einen Tausch. Im Haus erzählt mir Mark, der übrigens ein perfektes Englisch spricht und immer einen Strandhut trägt und sein Hemd über der Hose, dass er nur zur Untermiete in diesem Haus wohne. Der Besitzer des Hauses und somit auch des Tuk Tuks sei Dirk, ein deutscher Aussteiger, der aufgrund von Visaproblemen nach Bangkok reisen musste.
Mark öffnet während unseres Gesprächs sofort zwei Bier, um das Kennenlernen zu beschleunigen. In der Mittagshitze steigt mir der Alkohol sofort in den Kopf, und ich habe Schwierigkeiten, seine langen Geschichten und die vielen Infos zu verarbeiten. Mark redet davon, dass er auf Bali gewohnt habe und die Insel verlassen musste, weil er in einem Dokumentarfilm politisch inkorrekt über gewisse Einwohner der Insel berichtet habe. Er erzählt viel von Frauengeschichten, von langen Abenden mit Dirk, vonDirks wildem Lebensstil und davon, dass er den Tuk-Tuk-Tausch mit Dirk sicher einfädeln könne. Ich bin erleichtert und euphorisch, dass ich gleich ins Schwarze getroffen habe, auch wenn Mark immer mehr und immer schneller redet, bis ich nichts mehr aufnehmen kann.
Später schreibt Mark eine E-Mail an Dirk, in der er meinen Tauschwunsch erläutert und erklärt, dass ich Dirk zusätzlich zum Tee auch noch ein paar Dienstleistungen anbieten würde, wie etwa das Haus streichen. Mark bietet mir nach ein paar weiteren Bieren an, selbst den Tuk-Tuk-Deal abzuschließen, falls sich Dirk nicht melde. Doch eigentlich ist er fest davon überzeugt, dass Dirk keinerlei Probleme mit der Sache haben sollte.
Zwei weitere Tage verstreichen, und ich checke meinen E-Mail-Account gefühlte 420 Mal, immer wieder Aktualisieren und immer wieder nur Mails von Perry, Cherry oder Merry, die mir Viagra verkaufen wollen, aber keine von Dirk. Er schweigt.
Ich beginne zu fürchten, dass Mark zu viel versprochen hat, und besuche ihn erneut, wieder fließt Bier in der Mittagshitze. Mark beruhigt mich, Dirk werde sich hundertprozentig melden, und wieder redet er viel, von Frauen, seiner Arbeit als Journalist und Bier. Kein Interesse daran, dass ich vielleicht auch mal was sagen möchte, der Mann befindet sich komplett im Monolog-Modus. Eigentlich wird mir das alles zu
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