Wigges Tauschrausch
viel, aber ich bleibe, da er mir ja angeboten hatte, im Notfall eigenmächtig das alte Tuk Tuk einzutauschen. Es folgt ein Abend in einer Strandbar und ein weiterer auf einem Nachtmarkt. Die Monologe nerven mich immer mehr. Jedes Mal wenn ich eine Cola kaufe, kommentiert er das mit »Oh, Michael kauft ’ne Cola!«, wenn ich eine Tüte Chips esse, ertönt sofort: »Oh, Chips sind gut!«
Mark ist zwar gebildet und nett, aber die Einseitigkeit der Gespräche macht den Kontakt unerträglich. Es sind mittlerweile dreißig Stunden vergangen, seit die E-Mail an Dirk rausgegangen ist, und entgegen Marks Beteuerungen, glaube ich nicht mehr daran, dass Dirk sich noch melden wird. Ich frage Mark, ob er noch zu seinem Angebot steht, das Tuk Tuk eigenmächtig einzutauschen, und ich biete ihm unzählige Zusatzdienstleistungen an. Mark reagiert verstört und irritiert. Er kann sich an nichts erinnern und wirkt wütend. Scheinbar hat er das Angebot nur aus einer Bierlaune heraus gemacht, es hatte wohl nichts zu bedeuten. Ich bin total gestresst. Zwei Tage lang habe ich seine Monologe über mich ergehen lassen, und jetzt stehe ich vor dem Nichts. Mit einem riesigen Frust im Bauch lasse ich Mark zurück. Ich brauche erst einmal eine gute Portion Schlaf, um das ewige Gerede zu verdauen.
Am nächsten Tag beschließe ich, ein wenig den Traumstrand Ajuna Beach entlangzuwandern, um dort vielleicht in einer der vielen Strandbars mein Glück zu machen. Am Strand treffe ich als Erstes ausgerechnet auf Mark, der sofort von vorne beginnt und beteuert, dass Dirk sich bald melden werde und ich wirklich nicht nach einem anderen Tuk Tuk suchen müsse. Eine weitere Einladung zum Mittagsbier lehne ich ab, da in mir die Wut über sein ewiges Gerede hochkocht. Ihm geht es gar nicht um die Sache, er sucht doch nur ein Opfer für seinen unendlichen Rededrang. Ich gehe einfach weiter und sehe ihn nie wieder.
In einer Strandbar wenige hundert Meter weiter treffe ich Michel, einen deutschen Althippie, der schon in den Siebzigern hierhergekommen und hängengeblieben ist. Er trägt eine auffällig rote Brille, hat kurze blonde Haare und wirkt trotz seines starken Zigarettenkonsums noch ziemlich fit. »Jeden Morgen eine Stunde Schwimmen!«,beantwortet er meine unausgesprochene Frage .
Dann redet er über freie Liebe und dass hier keiner dem anderen gehöre. Er erzählt mir auch, dass die Hippies damals regelmäßig getauscht hätten und dass Geld keine große Rolle gespielt habe. Er unterstreicht aber auch, dass das Tauschen nie als etwas Besonderes wahrgenommen worden wäre, es sei einfach ganz normal gewesen. Niemand hätte das Tauschen als typisch für die Hippie-Kultur betrachtet.
Dann erzählt mir Michel von dem fehlenden Austausch mit seinem Sohn, der in meinem Alter, also auch 34, sei, und in Deutschland sehr bürgerlich lebe und in der IT -Branche arbeite. Er erzählt, dass es seinem Sohn oft unangenehm sei, dass sein Vater als Alt-Hippie in Goa lebe. Und das, obwohl er selber inzwischen längst nicht mehr nur Hippie-Freunde habe. Er sei demnächst auf die Party eines Freundes eingeladen, und der sei sogar Millionär. Wie auch immer, sein Sohn meide den Kontakt mit seinem Vater lieber.
Michel nimmt einen tiefen Zug von seiner indischen Zigarette, die er immer wieder mit einem übergroßen Feuerzeug von fast zehn Zentimetern Länge anzündet, und schaut schweigend und nachdenklich aufs Meer. Ich bekomme den Eindruck, dass ein spannender Mensch neben mir sitzt, der sich vor dreißig Jahren viel getraut hat, weit gereist ist, um ein komplett neues Lebensmodell zu leben. Doch die Konsequenzen seines damaligen Ausstiegs hat Michel sicherlich nicht vorausgesehen.
Ich ziehe mit meinem Sack voll Tee auf den Schultern unter der Mittagssonne auf dem Anjuna Beach weiter, da Michel leider kein Tuk Tuk besitzt, das er tauschen könnte.Vor einer Ansammlung von Strandhütten, die auf hohen Bambuspfählen stehen und über den Strand emporragen, bleibe ich stehen. Vielleicht finde ich ja in einer der Hütten einen Tauschpartner mit Tuk Tuk. Ich klettere einige der Leitern hinauf und treffe schließlich in einer der Bambushütten auf Toas, einen Fashion Designer aus Berlin, der ein paar Jahre jünger ist als ich. Toas wirkt mit seinen kurzen Haaren und lediglich mit einem orangen Tüll-Tuch bekleidet wie ein asiatischer Mönch auf mich. Zwar hat auch er kein Tuk Tuk im Angebot, er tauscht mir aber ein Kilo Tee gegen eine tragbare Lautsprecherbox.
Mit Box und
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