Wigges Tauschrausch
da sie damit beschäftigt sind, Panta ihre Adresse in Europa aufzuschreiben. Erfreut drücke ich aufs Gas, aber das Tuk Tuk fährt nur rückwärts! Also ziehe ich mit aller Kraft die Kupplung, schaffe es aber einfach nicht, einen anderen Gang einzulegen, so dass ich stockend immer weiter nach hinten fahre, bis ich mitten im Eingang des Yogacenters stehe. Panta winkt mir freudig zu und verschwindet mit den beiden Yoga-Schülerinnen diskret im Gebäude. Ich weiß nicht wie, aber schließlich finde ich den Vorwärtsgang doch noch und tuckere langsam Richtung Hostel. Die Fahrt gestaltet sich wie nicht anders zu erwarten äußerst schwierig, da mich die hupenden indischen Autofahrer total aus dem Konzept bringen, das Tuk Tuk immer wieder absäuft, der Linksverkehr gewöhnungsbedürftig ist und ich das Spiel zwischen Gas und Kupplung kaum hinbekomme. Was habe ich mir da nur angetan? Ich habe das Tuk Tuk so lange und so intensiv herbeigesehnt. Und nun sitze ich auf einer alten Schrottmühle, die ich kaum fahren kann. Meine anfängliche Euphorie darüber, dass ich mein Zwischenziel endlich erreicht habe, schlägt ganz plötzlich in Panik um. Die nackte Angst erfasst mich, mein Ziel niemals erreichen zu können.
Am nächsten Tag beschließe ich, wieder nach vorne zu schauen, und kaufe Sprühlack in Gold, Silber, Weiß und Schwarz, Klebeband und orange PVC -Folie. Es ist Zeit, das Tuk Tuk wenigstens optisch ein wenig aufzupeppen, wenn ich es irgendwann noch einmal weitertauschen möchte. Und nach nur wenigen Stunden sieht es tatsächlich auffällig und exzentrisch aus. Alle rostigen und dreckigen Stellen sind verschwunden. Das kaputte, schwarze Dach habe ich durch die leuchtend orange PVC -Folie ersetzt. Die Lackierung hat – goldene, silberne, weiße und schwarze Streifen – ein richtiges Space-Tuk-Tuk also. Bereits während meiner Styling-Arbeiten am Fahrzeug haben sich immer wieder Inder um mich und das Tuk Tuk versammelt, um mir erstaunt zuzuschauen. Sie erklären mir, dass sie unter den unzähligen Tuk-Tuk-Taxis, die fast alle schwarz-gelb sind, so etwas noch nie gesehen hätten. Das erleichtert mich, ich habe ein Unikat geschaffen!
Wenig später fahre ich mit dem Space-Tuk-Tuk durch Palolem Beach und bekomme beträchtliche Aufmerksamkeit und Zustimmung von Einheimischen und Urlaubern. Winkende und lachende Passanten begrüßen mich mit hochgehaltenem Daumen auf meiner Jungfernfahrt mit dem Space-Tuk-Tuk, das ich durch mein Fahrtraining inzwischen schon mehr als fünf Minuten lang am Tuckern halten kann.
Als ich von Palolem Beach aus zu einem Nachbarort unterwegs bin, geht mein Tuk Tuk inmitten von Feldern und Palmen plötzlich wieder aus. Ich ziehe die Starter-Stange an der linken Seite mit aller Kraft, zehn Mal, zwanzig Mal, dreißig Mal. Aber es hilft nichts. Das Tuk Tuk gibt keinen Laut mehr von sich. Kurze Zeit später helfen mir ein paar Motorradfahrer, das Tuk Tuk im zweiten Gang in der Mittagshitze anzuschieben. Aber auch das hilft nichts. Das Space-Tuk-Tuk schweigt und bleibt stehen. Wir versuchen es noch dreimal, bis ich durchgeschwitzt und keuchend bei 35 Grad auf dem Feldweg sitze und das Tuk Tuk verteufeln könnte. Mein frisches Hemd, das ich extra für die offizielle Jungfernfahrt angezogen habe, ist komplett nass. Ich bin frustriert und am Boden zerstört, da ich ahne, dass das Tuk Tuk mir kein Glück bringen wird. Einer der Männer,die mir geholfen haben, es anzuschieben, erbarmt sich irgendwann und ruft dem frustrierten Europäer am Wegesrand einen Mechaniker, der das Tuk Tuk wenig später abschleppt und repariert.
Mir ist inzwischen mehr als klar, dass dieses Tuk Tuk keinen Blumentopf in irgendeinem Tauschwettkampf mehr gewinnen wird. So lustig es aussieht, es ist einfach alt und reparaturbedürftig. Wer sollte es auch eintauschen wollen? Jeder indische Taxifahrer kennt sich hervorragend mit den motorisierten Dreirädern aus und weiß, dass es technisch nicht viel taugt und für Taxifahrten optisch nicht mehr der Norm entspricht.
Vor lauter Frust beginne ich mich selbst zu beschimpfen. Was habe ich mir bei diesem Styling eigentlich gedacht?
Ich beschließe, mich doch wieder auf meine Kontakte zu stützen, und gehe erneut die Liste mit den Menschen durch, die mir in meiner Situation helfen könnten: Wiebke, Sabine, Tamara, Uti, Mark, Michel usw. In meiner Verzweiflung telefoniere ich einfach wild drauflos und bitte nun alle Leute, die ich vorher gefragt habe, ob sie mir ein Tuk Tuk organisieren
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