Wigges Tauschrausch
dass realer Körperkontakt mit Hector theoretisch möglich wäre (was wohl das Ende dieser Reise bedeuten würde). Hector und ich schauen uns ungefähr eine achtel Sekunde lang an, bis ich mich mit einem Handzeichen bei ihm entschuldigen möchte. Zu dieser Geste der Reue kommt es aber nicht mehr, da Hector mit voller Wucht in den Plexiglaskäfig beißt. Ich fliege vor Schreck durch den (übrigens sicheren) Käfig und verrenke mir meinen Rücken so, dass ich in der nächsten Woche nur noch gebückt gehen kann (kein Scherz). Nach dieser Tortur ist mir klar, dass ich mir einen Highclass-Jade-Seidentausch mit Werner Sarny wirklich verdient habe. Die fünf Mutproben haben mir einiges abverlangt.
Am nächsten Tag fahre ich vorbei am Kakadu-Nationalpark Richtung Katherine, dem einzigen Städtchen in einem Radius von tausend Kilometern um Darwin herum. Dort treffe ich Werner Sarny, um zu tauschen.
Wieder fahre ich durch die endlose Buschlandschaft, Menschen sind weit und breit nicht in Sicht. Werner erzählt mir später, dass hier auf einem Gebiet so groß wie Deutschland nur 18000 Menschen leben. Unfassbar, die Region ist absolut leer. Wenn Werner Sarny nicht auf das Tauschgeschäft eingeht, werde ich wohl kaum andere Tauschpartner finden, das ist mir inzwischen klar. Ich bin total auf Werner angewiesen. Also signalisiere ich ihm die Dringlichkeit meines Tausches, und er inspiziert geduldig die Seide.
»Ja, gefällt mir schon!«, sagt er schließlich. Ich bin erleichtert! »Trotzdem sehe ich das bislang alles eher als Training. Du könntest noch eine kleine Mutprobe machen!« Der ältere Herr in seinem Crocodile-Dundee-Oufit steht lachend vor mir. Ich kann es kaum glauben! Während mein Videoprojekt für Panta in Indien noch einen ernsten Hintergrund hatte, geht es bei Werner nur darum, ihn zu bespaßen. Bei so wenig Menschen in der Region ist das vielleicht auch nicht ganz unverständlich. Werner hat diesen amüsierten, aber sehr sympathischen Unterton drauf, so dass ich mich schmunzelnd auf die nächste Mutprobe einlasse.
Wir fahren mit seinem Boot nach Sonnenuntergang den Katherine River entlang. Dichte Natur rankt in den Fluss, Mücken stechen munter auf mich ein, und Grillen zirpen fröhlich im tropischen Klima vor sich hin. Ach ja, und ab und zu schauen neugierige Krokodile aus dem Wasser.
»Michael, freust du dich schon? Die sind doch ganz süß!«
Werner lacht, besonders als er merkt, wie verkrampft ich bin. Er schlägt mir kumpelhaft auf den Rücken.
»Komm, das hier wirst du lustig finden.«
Na ja, später vielleicht, aber in diesem Augenblick von Spaß keine Spur. Wir steigen an einem kleinen Strand aus dem Boot, und Werner leuchtet mit einer Taschenlampe auf ein drei Meter großes Krokodil, das am Strand liegt und dessen Maul aus dem Wasser schaut. Er lacht und nennt es liebevoll »Maus«.
»Ist doch süß, die kleine Maus, oder?«, höre ich ihn sagen und kann seinen Humor in dieser Situation nicht wirklich teilen. Ich bekomme ein paar Fleischstückchen zur Fütterung in die Hand. Dann nähere ich mich langsam und mit weit ausgestrecktem Arm dem Krokodil, während Werner amüsiert zuschaut.
» Micha, komm, da kannst du noch ein bisschen näher ran, oder machen wir uns schon in die Hose?«
»Maus« bewegt sich während meiner Annäherung kaum, was mir aber eher wie die Ruhe vor dem großen Sturm vorkommt. Schließlich habe ich am selben Tag von einem anderen Flusskrokodil ein paar Videoaufnahmen gemacht, als es plötzlich in Millisekunden mit aufgerissenem Maul nach oben sprang, um mich zu verjagen. Die Videoaufnahme in Zeitlupe abgespielt wirkt wie ein Filmausschnitt aus Godzilla , Jurassic Park oder dem Kettensägenmassaker , wobei die Kettensäge in diesem Fall aus den berühmten 127 Krokodilzähnen besteht. Deshalb weiß ich, dass ich trotz aller Krokodilerfahrung von Werner mit diesen Mutproben vorsichtig sein sollte. Wie schnell kann das auch schiefgehen. Ich muss an diesen berühmten australischen Tierfilmer Steve Irwin denken, der in einem halsbrecherischen Selbstversuch seinen Kopf vor laufender Kamera zwischen die 127 Krokodilzähne hielt. Der Erfolg war riesig. SeineSendungen hatten angeblich bis zu 500 Millionen Zuschauer weltweit, viele davon auch in Deutschland. Das Ganze war lustig, bis auf einmal etwas schiefging und ihn bei einem seiner Drehs ein Manta-Rochen in den Bauch stach – ups … da war er nicht mehr unter uns. Aus diesen Überlegungen heraus bestehe ich darauf, die
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