Wigges Tauschrausch
Fütterung nur mit einem eher kalkulierbaren Süßwasserkrokodil und bestimmt nicht mit einem Salzwasserkrokodil wie Hector zu machen.
Ich nähere mich Maus also langsam, während es mich geduldig anschaut. Langsam schleiche ich mit einem Stück Fleisch in der Hand ran:
Vier Meter – Maus schaut ruhig, zwei Meter fünzig – Maus schaut mich immer noch ruhig an. Jetzt ruft Werner im Hintergrund: »Komm Michael, näher ran, da geht noch was!« Ich bekomme Angst und muss immer wieder an Steve Irwin denken, der durch den Erfolg leichtsinnig geworden ist. Nein, ich will nicht so enden, auf gar keinen Fall. Aber dann wieder Werner von hinten »Michael, los, die kleine Maus wartet schon!«. Ich wage mich Knie schlotternd weniger als einen halben Meter an Maus heran, werfe das Fleischstück schnell auf den Strand und renne blitzschnell wieder weg. Wäre das Krokodil währenddessen hochgeschossen, wäre wohl auch mein halber Meter Abstand zu wenig gewesen. Aber glücklicherweise beschränkt sich das Tier darauf, seine ganze Power immer erst dann zu zeigen, wenn ein Fleischklumpen auf dem Strand aufschlägt. Der Fleischbrocken verschwindet schneller, als ich gucken kann, und Maus ist in einer kaum wahrzunehmenden Schnelligkeit im Fluss verschwunden. Mir bleibt fast das Herz stehen – Werner vor lauter Lachen auch. Werner umarmt mich kumpelhaft undgesteht mir, dass Maus schon öfter Touristen gesehen hat und dadurch sehr berechenbar sei. Er lacht weiter, und ich bin nach abfallendem Adrenalinspiegel einfach nur noch fertig.
Danach wird es entspannter, und ich verbringe noch mehrere schöne Stunden unter einem äußerst intensiven Sternenhimmel, wie man ihn wegen der starken Lichteinflüsse in Europa kaum zu sehen bekommt. Werner und ich grillen Steaks und trinken Rotwein. Er schmunzelt und beschwichtigt mich, dass er während der sechs Mutproben wusste, dass mir nichts passieren konnte.
Am nächsten Morgen treffe ich Werner auf seiner Farm in der Katherine Gorge, einer traumhaften Schlucht, die wie eine Winnetou-Filmkulisse mit hohen gelben Wüstenfelsen aussieht. Werner wartet in Krokodiljägermontur auf mich und grinst schon bei meiner Ankunft.
»Na, gut geschlafen?«, fragt er sofort.
»Ja, ja. Hab von Krokodilen geträumt, war ja kaum anders zu erwarten.«
»Dann hab ich das Passende für dich, damit du unsere kleinen Spielereien auch in Erinnerung behältst!«
Werner nimmt meine große Rolle mit den 75 Metern Seide entgegen und drückt mir eine weiße Rolle ähnlicher Größe, aber viel leichter, in die Hand. Ich soll sie öffnen. Auf einem seiner Tische vor der Farm rolle ich ein Gemälde von über zwei Metern Länge aus. Es ist vom Aborigines-Maler Barra Barra entworfen, der auf Ausstellungen in London und Deutschland internationalen Erfolg hat. Auf dem großen Gemälde sind drei große Krokodile in Erdfarben abgebildet. Unglaublich! Das Gemälde ist wunderschön, und mir ist sofort klar, dass ich mich bei diesem Tauschwirklich hochgetauscht habe. In einer Broschüre, die neben dem Gemälde liegt, steht ein vierstelliger Dollarbetrag, der den aktuellen Marktwert widerspiegelt. Wow, der Sprung von Indien nach Australien und die sechs Krokodil-Mutproben haben sich gelohnt! Nach weniger als zwei Monaten Tauschrausch bin ich gut im Geschäft. Die schwierigen Wochen in Indien sind nun endgültig vergessen, und die Anspannung der letzten Tage fällt von mir ab. Werner und ich freuen uns beide über den tollen Tausch.
Bei meiner Abreise beobachte ich Werners Frau Patricia dabei, wie sie eines der Seidentücher als Tischdecke ausprobiert. Warum nicht, auch eine Möglichkeit, daran hatte ich gar nicht gedacht …
Verloren in der westlichen Welt
So sehr ich mich auch freue, das Gemälde in Händen zu halten, in sechs Tagen wartet der Milliardär Jim Rogers in Singapur auf mich, und ich habe ihm Jade versprochen. Ich weiß, dass dieses Ziel kaum noch zu erreichen ist, trotzdem mache ich mich zu einem Verzweiflungstauschversuch auf zu den Aborigines, den australischen Ureinwohnern im Northern Territory. Vielleicht freuen sie sich ja über ein Gemälde einer ihrer berühmten Künstler und haben rein zufällig ein paar Jade-Steine herumliegen? Aber es stellt sich heraus, dass ich noch nicht einmal in ihre Dörfer fahren soll. Einheimische reagieren sehr irritiert auf meine Anfrage, die Aborigines besuchen zu wollen. Schnell merke ich, dass die Ureinwohner ein Tabuthema sind und vieles zwischen den weißen Australiern und
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