Wigges Tauschrausch
den Aborigines nicht so gut läuft. Auf der Straße fallen mir viele Ureinwohner auf, die am helllichten Tag mitgroßen Bierflaschen herumlaufen. Andere wiederum sitzen zugedröhnt auf Parkbänken oder vor Gebäuden.
Statt mit den Aborigines selbst zu reden, treffe ich schließlich Petranny, eine weiße Australierin, die in einer Galerie Kunst der Aborigines ausstellt und dort mehrere Ureinwohner als Künstler arbeiten lässt. Manuel, ein dunkelhäutiger Mann, Mitte vierzig und mit weißem Bart, ist einer von ihnen. Er malt in einem ähnlichen Stil wie Barra Barra und erzählt mir gemeinsam mit Petranny, dass sich der Austausch zwischen den weißen Australiern und den Ureinwohnern zwar gebessert habe, aber die Integration einfach nicht klappen will. Zu unterschiedlich seien die Mentalitäten beider Völker. Während weiße Australier, ähnlich wie Europäer und Amerikaner, leistungsorientiert, pragmatisch und rational leben, dreht sich bei den Aborigines immer noch vieles um ein Leben mit der Natur und ihre Naturreligion, die von den Australiern einfach für Aberglauben gehalten wird. Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass die Sozialhilfeprogramme der Regierung oft an den Adressaten völlig vorbeigehen, da viele Aborigines das Geld nicht so sinnvoll investieren, wie sich der weiße Mann das wünscht.
Petranny erklärt, dass die australische Regierung Steuergelder lockermacht, dafür aber erwartet, dass die Aborigines einen westlichen Lebensstil führen, in die Schule gehen und arbeiten wie wir. Aber so einfach läuft das nicht. Vielen der Ureinwohner kommt unser Lebensstil absolut fremd vor, sie geistern völlig verloren durch die australischen Städte und werfen die staatliche Förderung für einen schnellen Genuss aus dem Fenster. Zwar hat man begonnen, den Aborigines etwas von ihrem Stolz zurückzugeben, es hat Landreformen gegeben, durch die die Ureinwohner Land zurückerhalten haben, und es hat offizielle Entschuldigungen von Seiten der Regierung gegeben. Aber die beiden Gruppen wirklich zu gleichberechtigten Einwohnern Australiens zu machen scheint schwierig zu sein.
Petranny erzählt, dass sie in ihrer Kunstgalerie Ureinwohnern wie Manuel Arbeit gibt, um sie von der Straße und vom Alkohol wegzuholen, aber sie erzählt auch, dass sie oft verzweifelt. Sie beschreibt, dass sie von ihren Angestellten eine westliche Arbeitshaltung erwartet, wie die Einhaltung von Abgabefristen und eine zuverlässige Arbeitsweise, und dass sie darin regelmäßig enttäuscht wird.
Manuel bietet mir an, mir – und damit auch dem deutschen Publikum – die Traditionen der Aborigines etwas näherzubringen, damit man sie besser verstehe. Zuerst bringt er mir bei, ein Didgeridoo zu spielen. Anfangs ist es nicht mehr als ein albernes Herumgetröte, bis ich lerne, die Luft so durch meine Lippen zu pressen, dass richtige Töne entstehen. Dann zeigt er mir, wie man mit zwei Holzstückchen und etwas Stroh Feuer macht. Ich reibe das eine Holzstöckchen senkrecht auf dem flachliegenden Stöckchen und drehe und drehe, bis mir die Arme abfallen. Manuel ermutigt mich, weiterzumachen, bis ich meine Arme fast nicht mehr spüre. Aber mit etwas Unterstützung von ihm erscheint ein Funke zwischen den Hölzern. Wenig später, nach einer letzten Highspeed-Drehsession, fängt ein Holzscheit etwas Feuer, den ich dann ins Heu lege und solange puste, bis es brennt!
Dann zeigt Manuel mir Holzspeere der Aborigines, die man mit Hilfe eines Bumerangs wirft, der am Ende des Speers befestigt ist, um ihn zu stabilisieren. Beim ersten Versuch werfe ich den Bumerang so, dass er einfach nur zu Boden fällt. Manuel lacht sich schlapp. Dann verstehe ich die Konstruktion: Ich nutze den Bumerang als Stabilisator und Schwunggeber für den Speer und halte ihn nach Abwurf noch fest in der Hand, so dass er mit voller Wucht in ein Papp-Känguru knallt und es durchbohrt. Manuel ist zutiefst beeindruckt und erklärt, dass das doch ein erfolgreicher Austausch zwischen Deutschen und Aborigines gewesen sei. Ich bekomme den Eindruck, dass Manuel sich wünscht, die Australier mögen sich mehr für die Kultur der Aborigines interessieren, dann würde es mit der Verständigung vielleicht besser klappen.
Da Manuel und Petranny das Gemälde nicht gebrauchen können, mache ich mich auf ins Internet und rufe auf meiner Facebookseite und in meinem Tauschrausch-Reiseblog um Hilfe:
»Wer kennt einen Jadehändler, der spontan an einem Tauschgeschäft mit mir interessiert ist? Bitte,
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