Wigges Tauschrausch
hinausbegleitet. Hans Günther muss den Prüfer bestochen haben, anders kann ich es mir nicht erklären.
Ich bin einerseits erleichtert, dass ich den Tausch noch nicht gemacht habe, andererseits bin ich aber auch ziemlich beunruhigt, was wohl passieren wird, wenn ich ihn mit dem Betrugsversuch konfrontieren werde. Ich bekomme Angst, mich mit den falschen Leuten eingelassen zu haben, und entscheide mich für eine diplomatische Lösung.
Ich treffe Hans Günther und gebe ihm den Stein zurück mit der Erklärung, dass ich den Tausch erst mal verschieben möchte. Beim Treffen wirkt er gefasst und professionell und verschwindet ohne viele Worte. Doch am folgenden Tag bekomme ich eine Droh- SMS von ihm, dass er mich verklagen wolle, weil er seine Arbeitszeit an mich verschwendet habe. Er fordert mich in der SMS auf, umgehend die Stadt zu verlassen, um weitere Probleme zu vermeiden. Mich beunruhigt diese Drohung von einem halbseidenen Edelsteinhändler, der selbst Prüfungsinstitute besticht, ziemlich. Was kann mir passieren? Eine Klage oder vielleicht einfach einen auf die Nuss, entweder von ihm oder einem seiner drei Hip-Hop-Bodyguards, die immer wortlos neben ihm hergehen?
Ich entscheide mich, schnell die Stadt zu verlassen, aber frage vorher noch bei einem Profi um Rat, um eine weitere überhastete Fehlentscheidung zu vermeiden.
In einem Bergdorf besuche ich den angesehenen Massai-Wahrsager Yotasariwaki Samson, der in einer kleinen Lehmhütte wohnt. Ich bitte ihn, mich im Hinblick auf die anstehenden Entscheidungen zu beraten. Seine Ratschläge sind eindeutig: 1. Ruf alle Leute an, die du in Tansania kennengelernt hast, und bitte sie erneut um einen Tausch! 2. Nix wie weg nach Kenia!
Ich befolge seinen Rat und stelle eine Liste mit all den Leuten zusammen, die ich in Tansania kennengelernt habe:
Ulf, der Honorarkonsul
Pauline, die Rezeptionistin meines Hostels
Eric, der Träger am Kilimandscharo (kommt nicht in Frage, sein Leben ist auch so schon hart genug)
Hilde und Ex-Ehemann
das Tansanit-Prüflabor (kommt auch nicht in Frage, da betrügerisch)
die Hadzabe (kommen nicht in Frage, da fehlender Telefonanschluss, ebenso die Datoga und die Massai)
Baraka und Limo, Taxifahrer Herr Kotago aus dem Hinterzimmer
Herr Buado, der angebliche Tansanit-Gott
der Inder Punit
Hans Günter (kommt nicht in Frage wegen Versendung von Droh- SMS )
Dann rufe ich alle an, die nicht von vornherein rausfallen, obwohl mir das mehr als unangenehm ist. Die Antworten ähneln sich: »Hmmm«, »Na ja«, »Ah nö«, »Bin so busy«, »Das Wasser kocht über, muss weg«, »Hallo, ich kann dich nicht verstehen.«
So geht es munter weiter, bis ich Hilde am Apparat habe. Völlig unerwartet lädt sie mich mit meinen drei Unzen Gold, den drei Unzen Silber und den Kaffeesäcken in ihr Büro ein.
Ein Stück Papier für 10 000 Dollar
Hilde, eine Frau in den Fünfzigern, ist schon vor 25 Jahren aus Deutschland ausgewandert, weil sie sich ihren Kindheitstraum erfüllen wollte, regelmäßig mit einem eigenen Jeep durch die Serengeti zu brausen. Und das hat sie seitdem auch regelmäßig getan und ganz nebenbei eine Reiseagentur in Tansania eröffnet. Dort sitzt sie nun in ihrem Reisebüro, das man als retro bezeichnen kann. Neben älterem Mobiliar, einer Schreibmaschine aus den Siebzigernund einem dazugehörigen Telefon aus einer ähnlichen Zeit fallen mir viele 70er-Jahre-Farben auf, wie Braun oder Knatsch-Orange. Sie selbst ist dagegen gar nicht retro, sie ist eine Frau, die immer viel jünger wirkt, als sie in Wirklichkeit ist. Sie kleidet sich jung, scheint einen sehr frischen Humor zu haben und wirkt ziemlich unkompliziert, wenn es ums Thema Tauschen geht.
Im Gespräch erzählt sie mir, dass sie selbst gerne tauscht. So hat sie ihrem Kindermädchen im Gegenzug zu ihrer Arbeitsleistung ein Haus bauen lassen. Ich bin von diesem recht großzügigen Tauschbeispiel beeindruckt und merke, dass ich nach der Tauschpechsträhne hier die große Chance habe. Ich zeige ihr symbolisch einen der sechzig Kilo schweren Kaffeesäcke und lege ihr die drei Gold- und drei Silbertaler in die Hand. Hilde schaut sie sich interessiert an und setzt sich hinter ihren Schreibtisch. Sie fängt an, die Gold- und Silbertaler auf der Glasplatte wie Kreisel zu drehen, wobei die Taler immer wieder auf das Glas knallen. Ich zucke jedes Mal zusammen, da ein Kratzer auf der Münze einen herben Wertverlust darstellen könnte. Ich erkläre ihr höflich, dass das Kreiselspiel vielleicht
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