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Wigges Tauschrausch

Wigges Tauschrausch

Titel: Wigges Tauschrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wigge
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einsam dominierte.
    Ich treffe Moses in einem riesigen Bürogebäude, im Zentrum des ärmlich wirkenden Eldoret. Alle Bewohner der Stadt wissen, dass sie diese Investition dem Helden der Stadt verdanken. Im fünften Stock empfängt mich seineManagerin, die mich in sein Büro führt, wo ein freundlich grinsender Mann im Anzug sitzt. Es ist Moses, den ich als Teenager auf so vielen Meisterschaften gesehen habe, wo er viele Weltklasse-Läufer sehralt hat aussehen lassen. Es kommt sofort zur Tauschfrage:
    » Moses, würdest du deine sieben Goldmedaillen gegen etwas Tolles tauschen?«
    »Bestimmt nicht!«
    »Angenommen es käme jemand mit einem 10000-Dollar-Reisegutschein vorbei.«
    »Dafür ganz sicher nicht!«
    »Kann man doch mal drüber nachdenken.«
    »Hör mal zu, Goldmedaillen werden bestimmt nicht getauscht. Sie sind das Symbol für meine herausragenden Leistungen, die ich vollbracht habe, und sie sollen den anderen Leuten im Ort als Vorbild dienen.«
    Moses signiert zwar den Gutschein, aber getauscht wird hier natürlich nicht. Was will man in Kenia auch mit einem Tansania-Reisegutschein. Das wäre ungefähr so, als würde man in Köln einen Düsseldorf-Gutschein eintauschen wollen.
    Gut, gut, verstanden, Medaillen werden nicht getauscht, sondern dienen als Motivation für andere!
    Nach diesen bewegenden Begegnungen mit echten Goldmedaillengewinnern fahre ich zurück ins Hostel, um meine Sachen zu packen. Mein Reisegutschein muss nach Deutschland gebracht werden. Doch noch auf dem Weg ins Hostel klingelt mein Handy. Es ist Joseph Keter, der noch einmal in sich gegangen ist, anscheinend sehr viel Humor besitzt und nun die Schmach des olympischen Finales 1992 gegen Dieter Baumann ungeschehen machen möchte. Er sagt mir, dass es ja eigentlich die Chance für ihn ist, endlich einen Deutschen in Kenia zu erwischen. Es soll eine Revanche geben, und ich soll sie ausfechten. Völlig überrumpelt und verwirrt, frage ich nach, was Joseph meint. »Du trittst gegen mich an, 800 Meter, nur du und ich. Oder traust du dich nicht?«
    Ich soll gegen einen ehemaligen Goldmedaillengewinner antreten! Unglaublich. Natürlich werde ich Deutschland würdig vertreten, da gibt es keine Frage. Wer würde eine solche Herausforderung zu einem Weltklasse-Rennen schon ablehnen.
    Wir treffen uns im altehrwürdigen Stadion von Eldoret, wo so viele Talente, Medaillengewinner und Weltrekordler ihre Karriere begonnen haben. Das Stadion setzt aber eher auf Understatement, es gibt lediglich eine Aschebahn, ein kleines Holzgerüst als Tribüne, eine Kuh auf dem Fußballfeld und einen Bauern, der mit seinem Traktor aus mir unbekannten Gründen ständig auf- und abfährt und die Läufer stört. An diesem Nachmittag ist außerdem eine Gruppe Inhaftierter aus dem Gefängnis von Eldoret im Stadion und zupft das Unkraut aus der Laufbahn. Sie tragen klassische weiß-schwarz-gestreifte Gefängniskleidung, wie ich sie nur aus Filmen kenne, angekettet sind sie aber nicht. Ihr Vollzugsbeamter erklärt mir, dass er allen Inhaftierten vertraue, auch wenn einige von ihnen Schwerverbrecher seien.
    Zwischen Kuh, kaputter Tribüne, Bauer mit Traktor und den Inhaftierten ohne Kette sehe ich allerhand berühmte Leute, wie zum Beispiel den 800-Meter-Weltrekordler Rudisha, der munter vor sich hin trainiert. Ich spreche mitverschiedenen Läufern, die alle Mittel- und Langstreckenzeiten laufen, von denen viele deutsche Profisportler nur träumen können.
    Dann sehe ich Joseph, der in Trainingskleidung langsam ins Stadion geht, so als wäre er in Zeitlupe aufgenommen. Die Zeitlupeneinstellung wird nur von einigen Leuten unterbrochen, die aufgeregt mit ihm sprechen, da er einer der ganz Großen in Eldoret ist und für viele ein Vorbild.
    Joseph schüttelt mir die Hand und fragt mich zwinkernd, ob ich gut vorbereitet sei. Ich erzähle ihm, dass ich zu Trainingszwecken kürzlich erst den Kilimandscharo bestiegen hätte, aber an seine Leistungen wohl nur knapp herankäme. Joseph grinst. Ich frage ihn, ob wir das Rennen ein wenig fairer gestalten könnten. Joseph ist fair und stimmt zu. Wir einigen uns darauf, dass er während des Rennens meinen Reiserucksack trägt, bestückt mit sechzehn Ein-Liter-Wasserflaschen, also 16 Kilo Wasser plus Flaschen plus Rucksack, insgesamt mindestens 17 Kilo. Ich finde es nur gerecht, dass wir so beide mit demselben Gewicht starten, ich mit 80 Kilo Körpergewicht, er mit 63 Kilo Körpergewicht und 17 Kilo im Rucksack.
    Nun beginnen wir damit,

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